■ EU-Gipfel: Erste Konturen einer gemeinsamen Außenpolitik?
: Europa und der Kosovoschock

Der „Köln-Prozeß“ hätte nach dem Wunsch der Sprachstrategen ein Synonym für Wachstum und Beschäftigung werden sollen. Nun hat die Dynamik auf dem Balkan dafür gesorgt, daß in Zukunft der Kölner EU-Gipfel als das Treffen in Erinnerung bleiben wird, an dem die europäischen Chefs ihre eigene Außen- und Verteidigungspolitik in die Hand genommen haben.

Sicherlich: Die Erklärung des Rates zur gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird erst einmal die Aktien der Rüstungsunternehmen steigen lassen. „Gestützt auf ein glaubwürdiges Militärpotential“ - das klingt, als müßten sich Verteidigungsminister Scharping und seine europäischen Kollegen um ihren Etat keine Sorgen mehr machen. Andererseits haben gerade die Erfahrungen mit Karadjic, Mladic und Milosevic gezeigt, daß Verhandlungen ohne ein einheitliches und glaubwürdiges Drohpotential Makkulatur sind.

Der Verlauf der Rambouillet-Verhandlungen und die Erfahrungen im Bombenkrieg waren für Europas politische Akteure ein heilsamer Schock. Sie hatten unterschätzt, wie schnell die Eigendynamik des Krieges und die Eskalationsstrategie der USA den diplomatischen Spielraum auf null schrumpfen lassen. Wenn Europa durch die Erfahrungen im Kosovo-Krieg zu der Einsicht kommt, daß es in Zukunft seine Angelegenheiten möglichst selbst in die Hand nehmen will, dann bedeutet das Hoffnung für zukünftiges Krisenmanagement.

Die Rolle, die Matti Ahtisaari spielen kann, weil Finnland mit seinen russischen Nachbarn nicht nur eine Grenze, sondern auch eine wechselvolle Geschichte gemeinsam hat, hätte kein amerikanischer Unterhändler übernehmen können. Daß die Europäer Rußlands Bedeutung richtig einschätzen, zeigt auch die Tatsache, daß ihre erste gemeinsame Strategie Rußlands engere Anbindung zum Ziel hat.

Der Kosovoschock hat in Köln als Schmiermittel gewirkt. Die Personalie Solana führte nicht, wie in der Vergangenheit, zu langem Proporzgefeilsche. Die Nagelprobe für den qualitativen Sprung beim Einigungsprozess steht allerdings noch aus. Ob wirklich von einem neuen Gemeinschaftsbewußtsein in Europa gesprochen werden kann, wird sich zeigen, sobald es um Geld für den Wiederaufbau des Balkan geht. Das Gefeilsche um die Agrarsubventionen im Schatten der Kosovo-Krise und die halbherzige Flüchtlingspolitik der vergangenen Wochen stimmen da skeptisch. Daniela Weingärtner