Hongkong trauert um Opfer des Tiananmen-Massakers

■ Am zehnten Jahrestag der Niederschlagung der Demokratiebewegung wird in Peking jeder Protest im Keim erstickt, doch im chinesischen Hongkong protestieren Zehntausende

Hongkong (taz) - Am zehnten Jahrestag der gewaltsamen Niedeschlagung der Demokratiebewegung in China hat es gestern in Peking zwei vereinzelte Proteste gegeben. Sie wurde sofort unterdrückt. Nach Augenzeugenberichten versuchte ein Mann auf dem durch Bauabsperrungen und ein massives Polizeiaufgebot gesicherten Tiananmen-Platz Flugblätter zu verteilen. Ein anderer habe dort einen Regenschirm aufgespannt, auf dem „Erinnert den zehnten Jahrestag der Studentenbewegung“ gestanden habe.

Polizisten hätten beide jeweils sofort weggebracht. Auch fünf ausländische Journalisten, die den Regenschirm-Protest beobachtet hatten, seien kurzzeitig verhaftet worden. Auf dem Wan-An Friedhof im Westen Pekings legten Angehörige der Opfer von 1989 Blumen nieder. Polizisten verwehrten Journalisten den Zutritt. Nach Angaben des Hongkonger Informationszentrums für Menschenrechte und Demokratiebewegung in China sind in den vergangenen vier Wochen in der Volksrepublik 130 Menschen vorübergehend verhaftet und verwarnt worden. 42 seien noch in Haft.

In Hongkong gedachten am Abend Zehntausende mit Kerzen des Pekinger Massakers von 1989. Nach Veranstalterangaben kamen 70.000 Menschen in den Victoria-Park. In der früheren britischen Kolonie und heutigen chinesischen Sonderzone sind die jährlichen Proteste ein Test der von Peking versprochenen Autonomie.

„Nun beginnt eine neue Dekade des Kampfes“, sagte Szeto Wah, der Vorsitzende der Allianz, die seit zehn Jahren die Proteste in Hongkong organisiert. Mit dem Vorsitzenden der Demokratischen Partei, Martin Lee, legte er einen Trauerkranz ab. Einige Anwesende weinten, als Trauermusik und patriotische Lieder gespielt wurden. Eine Großbildleindwand zeigte Bilder von 1989.

Der seit einem Jahr nach langer Haft im New Yorker Exil lebende Studentenführer Wang Dan wurde telefonisch mit seiner Mutter in Peking verbunden und das Gespräch über die Lautsprecher in den Hongkonger Park übertragen. Die Peking-freundliche Regierung der Stadt hatte Wang, der auf der Kundgebung sprechen wollte, ein Visum verweigert. Auch seine Reise ins benachbarte portugiesische Macau wurde vereitelt.

Redner forderten ein Ende der Einparteienherrschaft in China, die Untersuchung der Ereignisse vor zehn Jahren, die Rehabilitierung der Opfer und die Bestrafung der Verantwortlichen. „Das Anliegen der Studenten damals war richtig,“ sagte eine ältere Frau der taz. „Wir werden die Ereignisse nicht vergessen, sonst hat auch Hongkong keine Zukunft.“

Chinas Behörden unterbanden in den letzten Tagen den Empfang des US-Nachrichtensenders CNN in chinesischen Hotels. Auch Zeitschriften wurden unvollständig oder gar nicht ausgeliefert. Nach einem Bericht des Hongkonger Apple Daily wurden im benachbarten Shenzhen zehn Männer verhaftet, die 15.000 Zeitungen nach China schmuggeln wollten.

Auch in nordamerikanischen und europäischen Städten fanden gestern Mahnwachen und Protestaktionen statt. In Berlin wurde der Alexanderplatz und in Warschau der Schloßplatz für einen Tag symbolisch in „Tiananmen-Platz“ umbenannt. Simone Lang

Kommentar Seite 12