Eine Hommage an die Kompromißlosigkeit

■ Die NDR-Sinfoniker unter Christoph Eschenbach widmeten sich Anton Webern und Mozart

Nicht Arnold Schönberg und nicht Alban Berg waren in den fünfziger Jahren die Vorbilder für die junge Komponistengeneration, sondern Anton Webern. Sie schätzten die existentielle Kompromißlosigkeit seiner Position: Er hatte den Grundstein zur seriellen Musik gelegt und sie auf der Basis äußerster Reduktion mit einem lyrisch-poetischen Charakter durchgeführt.

Der Dirigent Christoph Eschenbach versuchte im letzten Konzert des NDR-Sinfonie-Orchesters in der Glocke deutlich zu machen, wo Korrespondenzen zum Spätwerk Wolfgang Amadeus Mozarts zu hören sind. Eschenbach konfrontierte die Kantate Nr. 1, op. 29 von Anton Webern (1938/39) mit Mozarts letztem Klavierkonzert in B-Dur, KV 595. Das Konzert ist ein Werk fast nicht mehr von dieser Welt, so einsam kommt es uns vor – Mozart hatte zu diesem Zeitpunkt längst das Wiener High-Society-Publikum verloren. Er verzichtet im Jahr seines Todes 1791 auf jeden Schnickschnack, auf jede vordergründige Auseinandersetzung oder Dramatik, auf jede Virtuosität.

Auch Weberns Kantate ist aufs äußerste reduziert. Das NDR-Sinfonie-Orchester realisierte die rhythmisch so vertrackte Partitur bewundernswert, ebenso strukturell klar wie klangschön. Maßgeblichen Anteil an dieser gelungenen Wiedergabe hatte die Sopranistin Claudia Barainsky, über die man nichts weiter zu sagen braucht, als daß sie ein hohes ces im doppelten piano lupenrein ansetzen kann. Alles andere ergab sich von selbst. Der rumänische Pianist Radu Lupu ließ den Mozartschen Solopart in einem geschmeidigen Anschlags- und Artikulationsreichtum erklingen, abgründig und abgeklärt.

Worin also liegen die Parallelen zwischen Mozart und Webern? In dem hybriden Schlußsatz der Jupiter-Sinfonie, in dem Mozart eine Fuge mit einem Sonatensatz in sprühenden Überraschungsmomenten verbindet, kann man durchaus ein Pendant sehen zu dem Traditionsanspruch Weberns, der im letzten Satz der Kantate auf Notationsbilder der niederländischen Vokalpolyphonie zurückgreift. Zudem korrespondiert die klangliche Opulenz dieses Werkes mit dem opernhaften Strahlen der Jupiter-Sinfonie. Der junge Baß Sebastian Noack sang neben Claudia Barainsky einen besonders expressiven, kantablen Solopart und der NDR-Chor bewies kammermusikalische Professionalität. Der Beifall des spärlich erschienen Publikums sollte weiter Ansporn sein, solche gut durchdachten Programme zu machen und nicht publikumsträchtigere Potpourris zu montieren. Ute Schalz-Laurenze