Breakbeats im Dschungel der Behörden

■ Clubkultur als Wirtschaftsfaktor und Lobbyismus als Chance: Im Sage-Club diskutierten Clubbetreiber und Szeneaktivisten mit dem Berliner Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner

Es ist doch eine seltsame und ungerechte Welt: Einerseits wirbt die Stadt Berlin in ihren Tourismusbroschüren nicht zu knapp mit dem „sensationellen“ Nacht- und Clubleben in Mitte und anderen Bezirken, mit Institutionen wie der Love Parade oder dem sogenannten Kunsthaus Tacheles. Und andererseits legen die Behörden in den einzelnen Bezirken ausgerechnet immer wieder den Leuten ein paar Steine in den Weg, die die großen Events organisieren und die kleinen, aber tollen Clubs in den Hinterhöfen betreiben.

Um solchen Seltsamkeiten und Ungerechtigkeiten genauer auf die Spur zu kommen, trafen sich am Freitagabend Berliner Clubbetreiber und Szenemacher mit Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner zu einer Diskussionsrunde im Sage-Club in der Heinrich-Heinestraße. Wohin die Reise gehen sollte, bewies Moderator Sascha Wolf, als Mitinhaber der „Lobbying und PR-Agentur ariadne & wolf“ Initiator dieser Runde, gleich zu Beginn mit einem Appell an die anwesenden Journalisten: Sie sollten hier doch bitte schön niemanden „in die Pfanne hauen“, dies sei ein „internes Gespräch“ und man wolle am nächsten Tag nicht in der Zeitung lesen, „der Wirtschaftssenator rauchte einen dicken Joint“.

Was er dann auch nicht tat, vielmehr hörte Branoner sich freundlich, aufgeschlossen und gewissenhaft mitnotierend die Klagen der anwesenden Szenemacher an: Sascha Disselkamp vom Sage Club berichtete, durch was für einen Behörden- und Auflagendschungel er sich kämpfen mußte, bevor er seinen Laden endlich öffnen konnte; Simone Hoffmann von „Das Büro“, das u.a. den Karneval der Kulturen und die Nacht der Clubs organisiert, beklagte sich über die „nicht normalen Lärmschutzgesetze“; und Olaf Kretschmer vom Oxymoron brachte es auf den Punkt: „Ein Nachtclub nach deutschem Recht wäre eine bizarre Angelegenheit“.

Doch wie verfahren im Kampf mit starrsinnigen Bürokraten und manchmal obskuren Auflagen von Bau-, Umwelt-, oder Gesundheitsämtern? Nicht umsonst diskutierte der Wirtschaftssenator im Sage-Club mit, nicht umsonst heißt die Agentur von Moderator Sascha Wolf „Lobbying und PR“. Man klopfte sich also auf die Brust, wies auf wirtschaftliche Potenzen genauso wie auf soziale (“wenn irgendwo ein Club schließt steigen Kriminalitäts- und Suizidraten“!), nickte wissend mit dem Kopf, als Branoner die für die Stadt überaus lohnende finanzielle Bedeutung der Love Parade hervorhob, und hatte schließlich den Stein der Clubweisen gefunden: Eine Lobby gelte es zu schaffen, man brauche Organisationen und gewählte Vertreter, um die eigenen Belange gemeinsam und besser vertreten zu können. „Lobby“ jedenfalls war an diesem Abend das Zauberwort, auf das sich alle einigen konnten, ganz im Sinne eines der erfahrensten und eifrigsten Lobbyisten auf diesem Gebiet: Marc Wohlrabe.

Der saß ebenfalls im Publikum und erklärte, daß es die Leute auszumachen gelte, „die progressiv arbeiten“, die anerkennen würden, „daß wie in Nordrhein-Westfalen Popkultur primär ein Wirtschaftsgut und kein Kulturgut“ sei.

Leistung muß sich lohnen, heißt eines von Wohlrabes Credos, und wer von den vielen hochsubventionierten Opernhäusern und Theatern keine „Leistungsnachweise“ bringe, dem sollten die Gelder gestrichen werden. Will heißen: Mehr Geld vom Staat für Rock, Pop und Clubs, die in dieser Hinsicht mit ein paar tausend Mark Subventionen mehr als stiefmütterlich behandelt würden.

Einig waren sich dann aber wiederum alle, daß es „staatlich verordnete Nischen“ auch nicht bringen würden. Schließlich macht es immer noch am meisten Spaß, dort auszugehen, wo es improvisiert und „anorganisch“ (Wohlrabe) zugeht, wo man nicht weiß, ob man nächste Woche hier auch noch seinen Cocktail schlürfen kann. Trotzdem: Die Synergieeffekte sollen weiterhin ausgenutzt werden, weitere Treffen zwischen Politik, Wirtschaft und Clubszene sind geplant.

Und vielleicht kommen dann, wie an diesem Abend gewünscht, auch ein paar KollegInnen der Wirtschaftsredaktionen dazu.

Gerrit Bartels