EM-Gastgeber mausert sich zum Mitfavoriten

■ Frankreich holt sich den Basketball-Supercup dank seines NBA-Cracks Tariq Abdul-Wahad, in dessen Fußstapfen der ehemalige Berliner Ademola Okulaja ausgesprochen gern treten würde

Berlin (taz) – Wo Ademola Okulaja hinwill, da ist Tariq Abdul-Wahad längst angekommen. Gerade hat der französische Basketballer, der während seiner Collegezeit noch den nicht minder hübschen Namen Olivier St. Jean trug, seine zweite NBA-Saison bei den Sacramento Kings absolviert. Er spielte im Schnitt knapp 24,6 Minuten pro Partie, erzielte 9,3 Punkte, holte 3,8 Rebounds und leistete einen wertvollen Beitrag zum Erreichen der Play-offs, die mit dem äußerst unglücklichen Ausscheiden gegen Utah Jazz in der ersten Runde endeten.

Noch viel wertvoller ist Abdul-Wahads Beitrag für die französische Nationalmannschaft, wie sich am Wochenende bei deren Supercup-Sieg in Berlin zeigte. In dem ohnehin stark besetzten Team ragt der 24jährige deutlich heraus. Mit seiner Athletik, Dynamik und Schnelligkeit, seiner Korbgefährlichkeit und Defense verleiht er dem Team der Franzosen jenen Extraschub, der sie bei der am 21. Juni beginnenden Europameisterschaft im eigenen Land zu einem der Mitfavoriten werden läßt. Beim 77:66-Sieg gegen die deutsche Mannschaft am Samstag holte Abdul-Wahad 19 Punkte, einige davon auf spektakuläre Weise per Alley-Hoop oder im freien Anflug auf den Korb. Defense sei zu 70 Prozent Einsatz, findet der Franzose, den Center Vlade Divac als besten Abwehrspieler der Sacramento Kings bezeichnet. Was Einsatz unter anderem bei ihm heißt, verdeutlichte er mit seinem rücksichtslosen Hechtsprung nach einem unerreichbaren Ball bei dem er Jörg Lütcke, tags zuvor beim 83:74-Sieg der Deutschen gegen die Türkei mit 24 Punkten bester Spieler, eine schwere Bänderdehnung im Knie zufügte.

Die deutsche Mannschaft bot beim Berliner Turnier trotz der Niederlage gegen Frankreich eine ansprechende Leistung, offenbarte aber auch, daß ihr ein kleiner NBA-Schub ebenfalls gut bekommen würde. Dirk Nowitzki hatte nach seiner Nasenoperation noch Spielverbot und konnte nicht zeigen, ob er in den vier Monaten bei den Dallas Mavericks genug gelernt hat, um besagten Schub zu liefern. NBA-Aspirant Ademola Okulaja spielte gut, war aber weit davon entfernt, sein Team so zu dominieren, wie es sein Gegenspieler Abdul-Wahad auf der anderen Seite tat.

Der ehemalige Spieler von Alba Berlin betont zwar, daß die EM, bei der sich die besten sechs Teams für Olympia qualifizieren, auch für ihn Priorität habe, doch während sich der Rest der Mannschaft ausschließlich auf dieses Turnier vorbereitet, hat Okulaja noch andere Dinge im Kopf. Heute fliegt er für einige Tage nach Chicago, um sich dort beim Pre-Draft-Camp für die NBA zu empfehlen. Mit Billigung von Bundestrainer Hendrik Dettmann im übrigen, der dem Spieler für sein NBA-Abenteuer „alles Gute“ wünscht. Okulajas vierjährige Collegezeit in North Carolina endete zwar mit dem frühen Aus in der Meisterschaft enttäuschend, dennoch konnte der 23jährige in seiner letzten Saison als Teamleader überzeugen. Am 30. Juni, mitten in der EM also, entscheidet sich beim Draft in Washington, auf welche Bahn ihn seine Karriere führt.

Okulaja will allerdings nicht um jeden Preis in die NBA, und seine diesbezüglichen Äußerungen lassen erkennen, warum ihn Svetislav Pesic zurück nach Berlin holen möchte. „Ich spiele nicht für Geld“, sagt Okulaja, „sondern ich will mich basketballerisch weiterentwickeln.“ Sätze, die direkt aus einem Basketball-Almanach des Coaches von Alba Berlin stammen könnten. „Es kommt sehr darauf an, welches Team mich draftet“, stellt Okulaja klar. Wenn es, wie etwa bei den von ihm geschätzten Atlanta Hawks, schon drei oder vier Spieler auf seiner Position gäbe, habe es keinen Sinn. „Was hilft es dir, wenn du sagen kannst: Toll, NBA, und dann sitzt du jeden Tag 40 Minuten und kriegst einen dikken Bauch.“

In diesem Fall würde er lieber nach Europa zurückkehren und versuchen, sich dort mit guten Leistungen für eine Rückkehr nach Amerika zu empfehlen. „Wenn es nicht funktioniert, habe ich im Gegensatz zu vielen anderen schon Plan B“, sagt Okulaja, und der heißt: Alba Berlin. Schließlich müsse er sich wieder an den europäischen Basketball gewöhnen, und daß könne er am besten in Berlin, wo es „den besten Coach“ gebe, er in der Europaliga spielen würde und sich überall bestens auskenne. „Ich will mich ausschließlich auf Basketball konzentrieren, und das kann ich nur hier.“ Selbst, daß exzellente Angebote aus anderen Ländern einen Sinneswandel bewirken könnten, schließt er weitgehend aus: „Was an zweiter Stelle kommt, ist ganz, ganz weit.“

Svetislav Pesic dürfte es mit Vergnügen hören. Ein Vorgespräch hat es bereits gegeben, wohl nur der NBA-Draft könnte verhindern, daß der Coach seinen Musterschüler wieder unter die Fittiche bekommt. So wird es am 30. Juni zumindest einen geben, der Ademola Okulaja für diesen Tag nicht alles Gute wünscht. Matti Lieske