■ Katastrophenbilanz: Das Kriegsende, von Belgrad aus gesehen
: Es ging um den Sieg

Der Krieg ist zu Ende – und es ist Zeit, die Frage zu beantworten, wer gewonnen und wer verloren hat. Der große Sieger ist dabei klar: Die Nato – also Amerika –, die mit der Gewaltanwendung noch eine Phase des nimmer endenden Konflikts auf dem Balkan vorerst zu ihren Gunsten beenden konnte. Auf der anderen Seite steht Europa, das mit seinen schlaffen Versuchen, einen gewaltlosen Ausweg zu finden, wieder einmal versagt hat.

In erster Linie aber haben die Kosovo-Albaner verloren. Als die Nato am 24. März ihre massiven Luftangriffe startete, sah das serbische Regime seine Chance, die „Wiege des orthodoxen Serbentums“ von den lästigen Nichtchristen, die die Unabhängigkeit des Kosovo forderten und immer noch fordern, erst einmal ein wenig zu säubern. Daneben mußten die Albaner auch noch vor Nato-Bomben flüchten, die die umkämpfte Provinz dem Erdboden gleichgemacht haben. So hat der Krieg, der die humanitäre Katastrophe für die Kosovo-Albaner aufhalten sollte, eine noch gewaltigere humanitäre Katastrophe ausgelöst.

Die kosovo-albanischen Flüchtlinge sollen nun wohl in ihre zerstörten Häuser zurückkehren. Oder sollen die armen Menschen aus den Zelten in Makedonien und Albanien in andere Zelte im Kosovo verfrachtet werden, die die Friedenstruppen für sie vor dem Winter wohl vorbereiten werden? Und zwar schnell, damit es in Makedonien nicht auch noch zu nationalen Unruhen kommt?

Die Strategie der Nato bestimmte wohl das Prinzip, daß das Leben eines westlichen Soldaten mehr wert sei als das Leben von tausend Balkaniern. Sonst hätte man sich anstatt der risikolosen, blindwütigen Luftangriffe auf ganz Jugoslawien – unter denen alle Volksgruppen litten – für einen Einsatz von Bodentruppen im Kosovo entschieden. Aber das war wohl zu riskant, hätte auch westliches Blut gefordert ...

Verloren haben auch die Serben und alle Bürger Jugoslawiens. Menschen sind getötet worden, die Infrastruktur des Landes ist zerstört, nach wie vor gelten Kriegsgesetze – und solange die gelten, wird nicht einmal der Anschein irgendeiner Demokratie oder irgendeines Wiederaufbaus möglich sein. Und warum sollte das Regime die Kriegsgesetze abschaffen, solange bedrohliche Nato-Truppen im Kosovo und in den Nachbarstaaten weilen? Der Winter ohne Strom, Wasser und Heizung – die soziale Not wird in Serbien schrecklich sein. Aber das kümmert anscheinend niemanden. Außer die Betroffenen.

Slobodan Miloevic hat nicht verloren. Der politische Überlebenskünstler ist immer noch an der Macht. Warum er erst jetzt und nicht schon in Rambouillet, vor der Verwüstung seines Staates, den Verlust des Kosovo unterzeichnet hat, bleibt sein süßes Geheimnis. Und obwohl er in der Zwischenzeit auch wegen angeblicher Kriegsverbrechen angeklagt worden ist, scheint das für die EU und Amerika nicht so wichtig zu sein. Es ging ja nur um den Sieg und um nichts anderes. Andrej Ivanji