Nordirlands Rote Hand hat wieder zugeschlagen

■ Vermutlich radikale Loyalisten töten eine Protestantin. Ihr Mann ist Katholik

Dublin (taz) – Die Protestantin Elizabeth O'Neill mußte sterben, weil sie mit einem Katholiken verheiratet war. Die 59jährige und ihr Mann hatten seit 30 Jahren im nordirischen Portadown gelebt, in der Corcrain-Siedlung, wo protestantische Terrorgruppen regieren. Doch die hatten den O'Neills immer wieder versichert, daß sie trotz ihrer „Mischehe“ nichts zu befürchten hätten.

In der Nacht zum Samstag warfen die Attentäter zuerst einen Ziegelstein und dann eine Rohrbombe durch das Wohnzimmerfenster. Elizabeth O'Neill wollte die Bombe zurück in den Vorgarten werfen, doch sie explodierte in ihren Händen. Bei vier ähnlichen Anschlägen in anderen Teilen Nordirlands wurde niemand verletzt.

Die Attentäter werden unter den Red Hand Defenders vermutet. Die im vergangenen Jahr gegründete Organisation besteht vorwiegend aus Dissidenten anderer loyalistischer Organisationen, die mit der Waffenruhe nicht einverstanden sind. Die „Red Hand“, die rote Hand, ist das Symbol Nordirlands. Sie beruht auf der Mythologie: Der Sagenheld hatte sich beim Wettlauf um den Besitz der Provinz die Hand abgehackt und über den Fluß geworfen, damit er als erster den Boden berührt.

Ein Aussteiger aus den Red Hand Defenders berichtet, daß die Mitglieder vor Anschlägen gemeinsam beten. Jeder Katholik gilt ihnen als legitimes Angriffsziel.

Elizabeth O'Neills Haus liegt an der Strecke der protestantischen Oranier-Parade, die am ersten Sonntag im Juli stattfindet und in den letzten vier Jahren für heftige Auseinandersetzungen gesorgt hat, weil sie durch ein katholisches Viertel führt. Das ist wohl auch der Grund für die Anschläge, denn zur Zeit finden – über einen Mittelsmann – Gespräche zwischen katholischen Anwohnern und Oraniern statt. Am Samstag lehnten die Oranier den Vorschlag der britischen Regierung ab: Die Parade sollte nächsten Monat noch einmal durch das katholische Viertel führen, aber ab dem Jahr 2000 umgeleitet werden. Ralf Sotscheck

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