Die UÇK denkt überhaupt nicht an Entwaffnung

■ Die Soldaten der Kosovo-Befreiungsarmee wurden von der Einigung in Belgrad überrascht. Noch hat sich für sie nichts geändert, denn es wird weiter geschossen

Während Militärs der Nato und Jugoslawiens über den serbischen Rückzug verhandeln, wird in der albanischen Grenzregion weiter geschossen. In der Nacht zum Sonntag griff die serbische Artillerie wieder Nordalbanien an. „Der Beschuß findet entlang der gesamten Grenzregion statt und gehört zu den heftigsten der letzten zwei Monate“, meldet das albanische Verteidigungsministerium.

Wie sich die UÇK verhalten und ob sie sich entwaffenen lassen wird, ist augenblicklich einer heikelsten Fragen des Friedensprozesses. „Sicher ist“, sagt einer der UÇK-Kämpfer in Albanien stellvertretend für viele, „daß wir bei einem Friedensschluß nicht so einfach aufgeben werden. Die UÇK existiert, sie wird stärker werden und zu einer Armee der Kosovo-Albaner ausgebaut. Die UÇK wird sich nicht so leicht von der Nato entwaffnen lassen.“

Die Nato ist sich der UÇK-Ambitionen wohl bewußt und warnte bereits, die kosovarische Befreiungsarmee solle sich an den Friedensplan halten. Sie kann sich die UÇK höchstens als zukünftige Polizisten vorstellen. „Wir hoffen, daß wir auf den guten Willen und die Haltung zählen können, die die UÇK bei den Friedensgesprächen in Frankreich an den Tag gelegt hat“, sagte Nato-Sprecher Jamie Shea am Samstag in Brüssel.

Auf dem Berghang von Popaj, wo die Grenze Albaniens zum Kosovo verläuft, ist Brüssel jedoch weit weg und die serbische Armee sehr nah. Man hört das Pfeifen und dann den Aufschlag der Artilleriegeschosse, der durch den Widerhall der Berge vielfach verstärkt wird. Der Beschuß gilt den Ausbildungslagern und Nachschubwegen der UÇK, trifft aber auch das Dorf Propoje, das weit unten im Tal zu sehen ist.

„Sie schießen jetzt noch einmal, um ihre Wut an uns auszulassen“, sagt einer der UÇK-Soldaten, ein junger Mann, der vor vier Monaten aus Wuppertal kam, um für die Befreiung des Kosovo zu kämpfen. Er trägt stolz das Käppi der UÇK mit den Insignien der Organisation. Mit einer Schweizer Uniformjacke und den Hosen der deutschen Bundeswehr angetan, sieht seine Kleidung etwas zusammengewürfelt aus; genauso improvisiert wie das Militärcamp, das aus einigen Zelten neben einem alten Bauernhaus besteht.

Außer einigen Kalaschnikows hat die UÇK hier, direkt an der Grenze zu dem gerade mal 5 Kilometer breiten und 20 Kilometer langen „befreiten Territorium Kosovo“, nicht viel zu bieten. „Gegen Artillerie kannst du nur mit schweren Waffen kämpfen“, sagt der Wuppertaler, der „wenn der Frieden kommt und die Leute wieder heim ins Kosovo dürfen“, zurück zu Job und Freundin nach Deutschland will. Sein Freund aus Heidelberg ist auch aus Pflichtgefühl zur UÇK gestoßen. „Die Serben haben meine Familie vertrieben, unser Haus angezündet, meinen Onkel ermordet. Wenn Frieden kommt, werde ich beim Wiederaufbau des Hauses helfen.“

Wieder schlagen Artilleriegranate ein. Erst als das Dröhnen von Nato-Jagdbombern zu hören ist, wird es auf der jugoslawischen Seite still. Schüsse würden ihre Position verraten.

„Wenn Miloevic wirklich nachgegeben hat, wird der Beschuß nicht lange anhalten“, sagt der Leibwächter und Polizeioffizier der UÇK mit dem Decknamen Shpent. Er weiß noch nicht, was er von den Nachrichten über den Friedensschluß halten soll. Denn gerade in den letzten Wochen habe die Befreiungsarmee Fortschritte gemacht. Vor allem von der diesseit der Grenze gelegenen Stadt Bajram Curi aus seien die Truppen in die Offensive gegangen, vor drei Monaten schon eroberten sie einen Posten der jugoslawischen Armee. „Wir könnten jetzt nach Junik und nach Djakovo vorstoßen“, sagt er.

„Wir Soldaten sind bereit, das Kosovo zurückzuerobern“, sagt einer der UÇK-Kämpfer. Die Führung müsse aber darüber entscheiden. Doch die ist zerstritten und hat sich in zwei Fraktionen gespalten. Hashim Thaci, der in Rambouillet mit am Verhandlungstisch saß, Anfang April in Tirana eine neue Exilregierung ausrief und sich zu deren Regierungschef ernannte, hat seine Hochburg in dem 60 Kilometer weiter gelegenen albanischen Ort Kukäs. Die UÇK-Truppen hier im Norden Albaniens hören dagegen auf das Kommando von Bujar Bukoshi, dem in Deutschland lebenden anderen Exilpremierminister.

Die Bukoshi-Fraktion nennt die Thaci-Leute „Linke“ und „Kommunisten“. Sie wirft ihnen putschistisches Verhalten vor. Angesichts der Vertreibungen, der Flüchtlinge, den serbischen Verbrechen „wollen wir aber die Einheit der UÇK um jeden Preis bewahren“, sagt Halil Bicaj, der Verteidigungsminister von Bukoshi.

Seit Mitte April ist mit Agim Ceku ein erfahrener Militiär Chef des Generalstabs geworden, der schon in der kroatischen Armee tätig war. Er soll beide Flügel vereinen. Und es sieht so aus, als sollte er erfolgreich sein.

Weder Bujar Bukoshi noch Hashim Thaci glauben, daß Miloevics Zustimmung zum Friedensplan ernst zu nehmen ist. Er habe schon zu oft Verträge gebrochen. „Ich möchte Taten sehen“, sagt Bujar Bukoshi. Erich Rathfelder