Netzwerk gegen Grüne

Auf ihrem Dortmunder Treffen beschließen die grünen Renegaten eine Kampfansage an die eigene Partei. Kritik an der „FDPisierung“ der Grünen  ■ Aus Dortmund Patrik Schwarz

Für 24 Mark können sich die grünen Kriegsgegner auf ihrem ersten bundesweiten Treffen in Dortmund Aufmunterung verschaffen. „Wer kämpft, kann verlieren“, steht auf einem T-Shirt mit rotem Stern, das vor dem Saal verkauft wird, „wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Zuspruch können die etwa 750 „Noch-Grünen, Ex-Grünen und Noch-nie-Grünen“ gut brauchen, die gegen den Kosovo-Kurs der grünen Fraktionsmehrheit im Bundestag opponieren. Seit dem Bielefelder Parteitag hatten sie geplant, sich am gestrigen Sonntag zu einem Netzwerk gegen den Balkan-Krieg zusammenzuschließen. Nun ist der Krieg womöglich schneller beendet, als die Vernetzung parteiinterner und –externer Gruppen bewerkstelligt werden kann. „Damit ist die Welt ja nicht in Ordnung“, warnt die linke Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach, die zu den Köpfen hinter der Vernetzungskampagne gehört. Auch Barbara Steffens, kriegskritische Vorstandssprecherin in NRW sieht in einer Einstellung der Kampfhandlungen keinen Erfolg der Nato-Strategie. „Erfolg? Mit welchen Opfern? Mit welchen Schäden? Mit welchen Konsequenzen?“ fragt sie.

Viele der angereisten Basisgruppen aus dem friedensbewegten Milieu haben auf Miloevic' Einlenken vom vergangenen Donnerstag bereits reagiert. „Kosovo-Vorbereitungen für die Zeit nach dem Krieg“ ist auf einer Plakatwand aus Packpapier zu lesen. Aber einer Stadträtin aus NRW, die das Antikriegsnetzwerk skeptisch sieht, schwant: „Der Krieg ist irgendwann vorbei, dann ist die Grundlage entfallen.“ Im Saal werden derweil die Kosovo-unabhängigen Ziele des geplanten Netzwerks betont. Die rot-grüne Bundesregierung wird für ihre angeblich neoliberalen Positionen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik gegeißelt.

„Ich bin 1982 aus der FDP ausgetreten“, erzählt die grüne Bundestagsabgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk, deren feines Halstuch an ihre bourgeoiseren Zeiten erinnert. „Wenn ich mir heute manche grünen Konzepte anschaue, denke ich gelegentlich, ich bin wieder drin.“

„Wie nah oder fern wollen wir uns zur grünen Partei positionieren, das ist hier das Spannendste“, sagt Martin Budich, bis letzte Woche Mitglied im Kreisvorstand in Bochum. Nachdem er jahrelang Menschen zum Eintritt in die grüne Partei ermuntert hat, organisiert er jetzt Kampagnen für den Austritt.

Sebastian Bischoff hält solche Aktionen für falsch. „Nur dadurch, daß wir noch bei den Grünen sind, bekommen wir dieses Medienecho“, schätzt der Sindelfinger. Den Austritt selbst zu vollziehen bringt der 21jährige bisher nicht übers Herz: „Ich sehe schon, wer da durchmarschieren würde. Im grün-alternativen Jugendbündnis zum Beispiel stehen die Karrieros doch schon Schlange.“

Verena Schmidt ist fünf Jahre älter als Bischoff, hat die Partei bereits verlassen und gehört zu den zahlreichen Befürwortern einer völligen Unabhängigkeit des Netzwerks. „Wenn wir uns von vornherein erpreßbar machen, weil die Grünen unser Büro finanzieren, dann bringt das alles nichts.“

Der Streit um die richtige Nähe zur grünen Partei und ihrer Schatulle hatte sich schon im Vorfeld des Dortmunder Kongresses zugespitzt. „Bei der Europawahl: keine Stimme für die Kriegsparteien!“ fordert ein Antrag des Altlinken Eckart Stratmann-Mertens, der bei einem Vortreffen von sechzig Ex-Grünen aus dem Ruhrgebiet eine große Mehrheit fand. Einen Wahlappell gegen die eigene Partei könnten sie unmöglich unterstützen, erklärte daraufhin das halbe Dutzend kriegskritischer MdBs um Annelie Buntenbach und drohte mit einem Finanzboykott des geplanten Netzwerks. „Grüne gegen Grüne – dafür bin ich nicht zu haben“, verkündete am Sonntag auch Jürgen Trittins Staatssekretärin Gila Altmann. Ziel des Netzwerks müsse sein, Mehrheiten innerhalb der Grünen zu verändern. Wenige Minuten vor Redaktionsschluß dieser Ausgabe hat das Plenum mit überraschend deutlicher Mehrheit von 188 zu 116 Stimmendem umstrittenen Wahlboykott gegen die grünen Europaabgeordneten zugestimmt. Die Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele und Christian Simmert erklärten, sie könnten den Beschluß nicht mittragen. „Ich denke,die Versammlung hat sich damit selber ein Bein gestellt“, sagte Ströbele.

Ungeklärt ist noch, wer das Bündnis wirkungsvoll nach außen vertreten kann. Kriegsgegnerin Altmann wird sich zurückhalten: „Ich will nicht die Heilige Johanna des parteiinternen Widerstands werden.“ Auf einer Wandzeitung beschreibt ein rigoroser Gegner der grünen Ministerriege schon mal, wie er sich die Führungsfiguren des Netzwerkes vorstellt: „Wenn von uns drei Leute halb soviel Mut und Frechheit hätten wie J. F., wären wir weiter!“ J. F. ist – natürlich – Joschka Fischer.