Kino auf der Insel Norderney

■ Emder Filmfest zeigte vor allem Filme aus England und Holland

Es hat auch geographische Gründe, wenn das Filmfest Emden jedes Jahr eine Reihe neuer Filme aus dem nahen Großbritannien und Holland zeigt, die unter sich in der Regel auch den Emder Publikumspreis ausmachen. Nachdem im letzten Jahr der niederländische Film „Left Luggage“ von Jeroen Krabbe den Preis gewann, ging er diesmal wieder nach England: „Get Real“ heißt der Sieger, ein von Regisseur Simon Shore gefühlvoll erzähltes Coming-Out-Drama eines englischen Oberschülers.

Einer der originellsten holländischen Regisseure ist Alex van Warmerdam. In seinem neuen Film „Kleine Teun“ zeigt er das typische niederländische Flachland – Bauernhaus, Ziege und Federvieh – als Welttheater. Zwei Frauen kämpfen mit allen Mitteln um den Analphabeten Brand, und Warmerdam verwickelt die Intrigen so absurd, daß man trotz des behäbigen Tempos von diesen wildgewordenen Spießbürgern zugleich fasziniert und abgestoßen wird. Ein weiterer Höhepunkt des Programms war „Little Voice“ von Mark Herman, der vor zwei Jahren mit „Brassed Off“ den Emder Filmpreis gewann. Der Film handelt von der scheuen Laura, die sich eine Traumwelt aufgebaut hat, in der sie abwechselnd Judy Garland, Marilyn Monroe, Marlene Dietrich oder Shirley Bassey verkörpert. Das besondere dieses Films: Die Schauspielerin Jane Horrocks alias Laura kann tatsächlich sprechen und singen wie ihre Idole. Der Film erzählt, wie ein abgehalfterter Agent ihr Talent entdeckt, sie auf die Bühne bringt, aber nicht mit ihrem kompliziertem Innenleben gerechnet hat.

Selbst ein im Grunde völlig mißlungender Film war interessant: In „Parting Shots“ versucht sich der Schmusesänger Chris Rea gleich in einer Hauptrolle – mit dem entsprechend peinlichen Resultat. Aber Regisseur Michael Winner läßt mit Diana Rigg, Bob Hoskins, John Cleese und Ben Kingsley Stars des britischen Kinos in Nebenrollen sich selber parodieren. Und dies tun sie so witzig, daß einen der traurige Rest des Films kaum stört.

In diesem Jahr ist das Filmfest auf die Insel Norderney gegangen, wo man einen Teil des Programms im historischen Kurtheater zu sehen bekam: einer der schönsten, barockverzierten Kinosäle Deutschlands. Emden selber ist dagegen berüchtigt für seine ekligen Abspielstätten. Der Saal der Volkshochschule wirkt wie der Saal einer Volkshochschule, im Verzehr-Kino Apollo bleibt die Beleuchtung auf den Tischchen in jeder Sitzreihe an, und während der Projektion nimmt ein Ober recht laut die Bestellungen auf. Wie wäre es, das ganze Filmfest einfach ins schöne Kino nach Norderney zu versetzen?

Wilfried Hippen