Village Voice
: Philosophie aus Büchsenbier

■ Neue Alben von den Berliner Bands Beatsteaks und Pothead

Kann man einen Song heutzutage tatsächlich noch mit der Zeile „Here I am now“ beginnen? Und das Ganze gleich zweimal hintereinander deutlich wiederholen? Von bratzenden Schweinerockgitarren unterstützt? Muß das sein? Darf das sein? Wenn es nach den Beatsteaks geht: Aber ganz gewiß doch.

Also tun sie, was scheinbar getan werden muß. Rauh, zornig und arrogant an Punkrock glauben. „Launched“ heißt die neue, zweite Platte des Berliner Quintetts, und sie beginnt mit den programmatischen Zeilen: „Hi folks, I'm fucked and again eat breakfast in the afternoon“. Der Song heißt zwar „Panic“ und handelt davon, seine Zeit zu verschwenden, kann aber seine Faszination für diesen zerfleddernden Lebensentwurf nicht verbergen.

Nicht bemerkt haben sie allerdings, daß man mit gutem, altem Punkrock in diesen Zeiten ganz schnell in der Mitte der Straße landen kann. Ob sie da wirklich hinwollen? Obwohl: Das beste an den Beatsteaks war schon immer ihr ausgeprägter Hang zum populären Liedgut. Wenn sie eins können, dann ist es, Melodien für Millionen zu schreiben. Das registrierte auch Epitaph, das Label von Bad Religions Brett Gurowitz, indem es die Beatsteaks als erste deutsche Band verpflichtete.

Nun müssen nur noch die Millionen das Potential der Berliner entdecken. Also schrubben sie möglichst fröhlich ihre Songs runter, die manchmal an die Doughboys erinnern. Die fielen damals wegen zu unverschämter Eingängigkeit in Ungnade in der Hardcoreszene, die Beatsteaks müssen mit ihren Möchtegernhits „Shut Up And Stand Up“ oder „... And Wait“ ein ähnlich bedrohliches Schicksal befürchten.

Das größte Problem der Beatsteaks dürfte dann auch die Zielgruppe sein: Die Jungs, die parallel zu den Beatsteaks groß geworden sind, müßten inzwischen richtig erwachsen sein, und die heute Zwanzigjährigen können mit einer aus Büchsenbier extrahierten Philosophie einfach nicht mehr allzuviel anfangen. Bleiben noch Minderjährige, die den Aufstand proben, ihr Taschengeld aber auch für die saubere Unterhaltung von Bands wie Green Day, Silverchair oder Offspring ausgeben müssen.

Ein Zielgruppenproblem haben inzwischen auch Pothead. Grunge ist zwar schon ewig her, aber doch wieder nicht so lang, daß man auf sein erstes Revival warten könnte, wenn man eine Band ist, die es seit bald zehn Jahren gibt und die mit „Fairground“ bereits ihre sechste Platte veröffentlicht.

Deshalb bemüht sich das in Wendezeiten aus Seattle nach Berlin umgesiedelte Trio inzwischen um Abwechslung. Den Schmockrockern mit ihren knarzenden Gitarren stehen vorsichtig hingetupfte Midtempostücke und nette Balladen gegenüber. Immer wieder versuchen sie sich an verzwickten Rhythmen und ungewöhnlichen Arrangements, und einzeln entwickeln die Songs durchaus ihre Qualitäten. Alte Pothead-Fans dürften hin und wieder tatsächlich schokkiert sein bei so viel Willen zum Pop.

Insgesamt aber liegt eine quälend dicke Patina über „Fairground“. In „California Day“ outen sich Pothead schließlich ehrlicherweise endgültig als die Neohippies, die sie sind, und phantasieren sich eine Version von Friede, Freude, Eierkuchen herbei, die selbst im seligen Jahr 1967 niemals existiert hat: „Come together“ fordern sie in „Brothers and Sisters“. Doch selbst Stuyvesant hat sein Werbekonzept inzwischen längst geändert. Thomas Winkler

Beatsteaks: „Launched“ (Epitaph). Pothead: „Fairground“ (Gold- rush/BMG).