Der Kanzler zeigt den Grünen die kalte Schulter

■ Schröder findet, eine rot-schwarze Koalition in Bremen bleibt das Beste für die Stadt

Bonn (dpa/taz) – Das Diktum des Kanzlers und SPD-Vorsitzenden kam überraschend schnell und prompt. In Bremen solle alles so bleiben, wie es ist, gab Gerhard Schröder noch am Sonntag abend als Devise aus, bevor sich die SPD-Spitzen überhaupt damit befassen konnten. Schließlich gehe es um die Glaubwürdigkeit von Wahlsieger Henning Scherf, der den Wählern die Fortführung der großen Koalition an der Weser versprochen habe, und nicht um seine Person, zeigte der Bonner Regierungschef Verständnis.

Der Kanzler vermittelte gar nicht erst den Eindruck, als ob er ernsthaft den Versuch machen wolle, den Genossen Scherf noch einmal umzustimmen. Schließlich könnte der ihm mit einem Sinneswandel aus der Bredouille helfen. Mit den drei Bremer Stimmen im Bundesrat, die bei einem Wechsel Scherfs an Rot-Grün fielen, hätte die Bonner Koalition wieder die absolute Mehrheit in der Länderkammer, die sie bei der Hessen-Wahl im Februar verloren hat. Für die Bonner Regierungsparteien würde es damit erheblich leichter, die anstehenden Steuergesetze und die Gesundheitsreform durchzubringen.

Doch daran scheint dem Kanzler wenig gelegen zu sein. Eher halbherzig trat er Spekulationen entgegen, ihm sei die jetzige Ausgangslage in Bremen sogar lieber. „Ich hätte natürlich gerne eine absolute Mehrheit der SPD in Bremen gesehen“, versicherte er. Doch auch eigene Parteifreunde argwöhnen, Schröder sei es womöglich ganz recht, in der Länderkammer auf die Union angewiesen zu sein. Mit Verweis auf die deshalb notwendigen Kompromisse können nach dem Geschmack des Kanzlers zu weitgehende Vorstellungen in der SPD-Fraktion bequem abgewehrt werden.

In den SPD-Reihen wurde die rasche Festlegung des Kanzlers auch mit einigem Stirnrunzeln registriert. Wenn schon an Rot-Schwarz in Bremen nichts mehr zu ändern sei, müsse es wenigstens Konsequenzen haben, daß die SPD ihren Vorsprung gegenüber der CDU deutlich ausgebaut habe. Etwa bei der Formulierung der Bundesratsklausel, brachten SPD-Bundesgeschäftsführer Ottmar Schreiner und Fraktionschef Peter Struck die Erwartungen auf den Punkt. Doch daß sich die Bremer CDU darauf einlassen wird, bei Bundesratsvoten in strittigen Fragen der SPD die Stimmführerschaft zu überlassen, ist eher unwahrscheinlich.

In den nächsten Tagen haben die Bonner Koalitionäre erst einmal andere Sorgen. Bis zum Sonntag, wenn sich die rot-grüne Regierung bei der Europawahl zum ersten nationalen Test seit Amtsübernahme stellen muß, sollen noch einmal alle Kräfte mobilisiert werden. Der Kanzler plant bis dahin fast pausenlos medienwirksame Auftritte.

Außenminister Joschka Fischer hat einen schwereren Stand, sich ähnlich wählerwirksam in Szene zu setzen. Falls Schröders Kalkül aufgeht, daß die SPD mit dem Erfolg von Bremen im Rücken entgegen den schlechten Prognosen bei der Europawahl einigermaßen abschneidet, wird dies das Selbstbewußtsein des Kanzlers stärken. Falls die Grünen, wie Umfragen vorhersagen, den Einzug ins Europaparlament verpassen, dürften die Debatten über die Zukunft der Koalition lebhafter werden. Joachim Schucht