■  Der Teufel steckt im Detail – so warnten westliche Politiker vor verfrühtem Jubel über das Belgrader Abkommen. Zu Recht. Schon die ersten Gespräche über die militärische Umsetzung der Vereinbarung stocken. An weiteren strittigen Punkten mangelt es nicht.
: Den schnellen Frieden gibt es nicht

Was in einem Palast der jugoslawischen Staatsführung in Belgrad mühsam erreicht wurde, drohte am Sonntag in einem Militärzelt im Bergland des Grenzgebiets zu Makedonien wieder verlorenzugehen. Das politische Abkommen über die Beilegung des Kosovo-Konflikts schien an den Details des jugoslawischen Rückzugs aus der Provinz zu scheitern.

Die Verhandlungen wurden am frühen Montagmorgen abgebroche . „Ein Gesprächskanal“ für telefonische Kontakte sei noch offen, erklärte Nato-Sprecher Jamie Shea gestern zurückhaltend. Gespräche von Verbindungsoffizieren der Nato und der jugoslawischen Armee waren anberaumt, aber wieder abgesagt worden. Der Delegationsleiter der Nato, der britische Generalleutnant Michael Jackson, sei jedoch bereit, die Verhandlungen mit den jugoslawischen Generälen wieder aufzunehmen, sagte Shea.

Das Rahmenabkommen zum Frieden, dem Miloevic in Belgrad zugestimmt hatte, war von den Generälen der Nato in die konkrete Form eines Abzugsplans für die jugoslawischen Truppen aus dem Kosovo gebracht worden. Diskutieren wollte Generalleutnant Michael Jackson, Oberkommandierender der internationalen Friedenstruppe, über die Details nicht mehr – die jugoslawische Seite verlangte Änderungen.

Zunächst schien die wichtigste Differenz nur zu sein, daß der für den Rückzug eingeplante Zeitrahmen von acht Tagen für die jugoslawische Seite zu kurz erschien, dann folgten weitere, immer wesentlichere Einwände. Zuletzt stellten die Jugoslawen sogar die zeitliche Abfolge der einzelnen Schritte zum Frieden in Frage. Sie wollten nicht akzeptieren, daß die Nato ihre Luftangriffe erst dann beendet, wenn ein substantieller Rückzug der jugoslawischen Streitkräfte durch Aufklärungsflugzeuge der Allianz bestätigt worden ist. Sie forderten, daß vor dem Einrücken der Nato-Friedenstruppe in das Kosovo eine Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (UNO) verabschiedet werden müsse. Ein derartiges Junktim hat die Nato stets abgelehnt.

Jackson kritisierte nach dem Abbruch der Gespräche, die jugoslawischen Generäle „haben einen Vorschlag unterbreitet, der weder die sichere Rückkehr aller Flüchtlinge noch den Abzug aller jugoslawischen Truppen garantiert“ und nicht mit dem Text der Vereinbarung übereinstimme, der Slobodan Miloevic und das serbische Parlament zugestimmt hätten.

Aus Nato-Kreisen verlautete, Jugoslawien wolle mehr Polizei im Kosovo belassen als die „einigen Hundert“, die die Nato nach der Rückkehr der Vertriebenen zugestehe. Der britische Außenminister Robin Cook sagte am Montag in einem BBC-Interview, die jugoslawische Militärführung habe auf dem Verbleib von bis zu 15.000 Soldaten im Kosovo bestanden. Diese Forderung bezeichnete er als einen „klaren Bruch“ der Verabredungen mit Belgrad.

Vom geforderten und in Belgrad zugesagten Rückzug „aller“ Truppen müßten auch die serbischen Soldaten ausgenommen sein, die ihren Wohnsitz im Kosovo haben.

Die jugoslawischen Vertreter hätten auch 15 Tage Zeit für den Truppenabzug verlangt. Soviel sei erforderlich, denn die Straßen im Kosovo seien zu schlecht, außerdem mangele es den jugoslawischen Einheiten an Treibstoff. Die Minen, die von jugoslawischen Truppen im Kosovo gelegt worden sind, müßten nicht von diesen, sondern von der Nato beseitigt werden, forderten die serbischen Militärs, denn die Minenräumung dauere bei den von der Nato gesetzten knappen Fristen zu lange. Die Nato verlangte von den serbischen Truppen einen Rückzug von 25 Kilometern in serbisches Gebiet, um vor Artilleriebeschuß sicher zu sein – auch das wurde von den jugoslawischen Militärs abgelehnt.

Die serbischen Offiziere hätten schließlich von der Nato Sicherheitsgarantien verlangt, daß die Soldaten nicht von der Kosovo-Befreiungsarmee (UÇK) angegriffen werden. Besonders im Westen des Kosovo gab es in den vergangenen Tagen und Wochen heftige Angriffe der UÇK – zum Teil mit Luftunterstützung der Nato – auf jugoslawische Einheiten.

Ein Nato-Offizier resümierte die zunehmend schwieriger gewordenen Gespräche mit den Worten: „Es ist eben typisch Balkan – Miloevic spielt sich auf, um uns mürbe zu machen.“ Pentagon-Sprecher Kenneth Bacon sagte, ein Eingehen auf die Bedenken Belgrads würde den Einmarsch der Nato-Friedenstruppe verzögern.

Nach dem Scheitern der Gespräche zwischen Generälen der Nato und Jugoslawiens hat die Allianz ihre Luftangriffe am Montag wieder verstärkt. In einer Erklärung des Nato-Hauptquartiers in Brüssel hieß es, die „militärischen Operationen am 76. Tag haben begonnen und nähern sich ihrer früheren Intensität an“. In Belgrad wurde zum ersten Mal seit mehreren Tagen wieder Luftalarm ausgelöst. Bombardements gab es auch in der Nähe der Städte Pec und Decani. sf