Umstrittene Truppenaufstockung

■  Bundeskabinett beschließt eine Aufstockung der deutschen Friedenstruppenbeteiligung auf 8.500 Soldaten. FDP und Bündnisgrüne verlangen vorher ein erweitertes UNO-Mandat

Die Zustimmung des Bundestages zu einer aufgestockten Kosovo-Friedenstruppe ist derzeit noch umstritten. Wie der FDP-Partei- und Fraktionschef Wolfgang Gerhardt gestern erklärte, kann der Bundestag nicht wie geplant an diesem Dienstag über die Entsendung entscheiden. Das Bundeskabinett hatte gestern morgen eine Aufstockung der Bundeswehrbeteiligung an einer Friedenstruppe um rund 2.500 auf etwa 8.500 Soldaten beschlossen. Der Bundestag muß allerdings noch zustimmen.

Nach Gerhardts Überzeugung müsse als Voraussetzung für ein solches erweitertes Mandat die Regierung in Belgrad dem Kosovo-Friedensplan abschließend billigen sowie eine Resolution des UN-Sicherheitsrates vorliegen. Diese Bedingungen seien aber noch nicht erfüllt, betonte der FDP-Politiker. Deshalb dürfe es keine Schnellschüsse geben. In jedem Falle sollten vor einem Plenarbeschluß des Parlaments zunächst die zuständigen Ausschüssen über diese Frage beraten. Die FDP sei dann zu einem Vorratsbeschluß mit Bedingungen bereit, sagte der Partei- und Fraktionsvorsitzende.

Demgegenüber bekräftigte Scharping, daß er in dieser Woche ein neues und erweitertes Mandat für die in der Krisenregion stationierten Bundeswehrsoldaten fordern werde. Gerhardt und die anderen Fraktionschefs des Bundestags waren zuvor im Kanzleramt von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) über die Pläne der Regierung zu einer Aufstockung der Truppe informiert worden.

Auch der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble hat gründliche Beratungen des Bundestages über die deutsche Beteiligung an der multinationalen Kosovo-Friedenstruppe verlangt. Einen Tag vor dem möglichen Termin einer Sondersitzung des Parlaments signalisierte Schäuble am Montag in Bonn, seine Partei sei zu einer schnellen Entscheidung bereit. Möglicherweise könne jedoch auf der Sondersitzung des Bundestages an diesem Dienstag noch nicht entschieden werden. Er regte an, den Antrag in Form einer ersten Lesung zu behandeln und in den Ausschüssen weiter zu beraten. Wenn es zwingende Gründe gebe, müsse der Bundestag unter Umständen in dieser Woche erneut zusammenkommen. Schäuble warnte vor allzu großer Euphorie nach der Verständigung auf einen serbischen Truppenabzug. „Wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, aber nicht zu früh feiern“, sagte er.

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Grüne will am Montag nachmittag zu einer Sondersitzung wegen der Entwicklung im Kosovo-Konflikt zusammenkommen. Auch Außenminister Joschka Fischer werde an der Sitzung teilnehmen, hieß es.

Das könnte auch nötig werden, denn der Widerstand bei den Grünen gegen die Aufstockung des Bundeswehrkontingents ist im Moment sehr unsicher. Vorstandssprecherin Antje Radcke sagte der Berliner Morgenpost: „Es sieht nicht so aus, als könnten wir zustimmen.“ Bedingung für ein positives Votum der Grünen sei auf jeden Fall eine vorherige UNO-Resolution. Davon sei aber im aktuellen Beschluß der Bundesregierung nicht die Rede, sondern nur von einer „Befassung“ der UNO.

Ohne diese Resolution beruhe der Einsatz der Bundeswehr auf einem „merkwürdigen Konstrukt“, das „dann ganz schnell in einem Bodenkrieg enden könnte“, sagte Radcke. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele. Weil ein Bodenkrieg verhindert werden müsse, sollte die Fraktion gegen die Aufstockung stimmen, sagte er. Bedingung für eine weitere Entsendung deutscher Soldaten für die Friedenstruppe sei eine „eindeutige Festlegung des Einsatzes und die Zustimmung aller Konfliktparteien“. (AFP/Reuters/dpa)