„Nur studieren ginge gar nicht“

Als erste Studentin will Claudia Fiedler Vize-Chefin der Uni werden  ■ Von Judith Weber

Der Rollenwechsel ist schon im Terminkalender festgeschrieben. Erst ein Kaffee mit der Journalistin, dann der Besuch im Büro des Asta und schließlich ins biologische Seminar – innerhalb weniger Stunden schlüpft Claudia Fiedler in die Rolle der Kandidatin für die Vize-Präsidentschaft der Uni, ist dann Mitglied der Grünen Hochschulgruppe und anschließend Biologie-Studentin auf Lehramt. Und zwar genau in dieser Reihenfolge.

„Ich habe enorm viele Gespräche geführt in den letzten Wochen“, sagt die 30jährige mit einer Stimme, die irgendwo zwischen Lachen und Seufzen schwankt und sich schließlich fürs Lachen entscheidet. Beim Präsidenten hat sie sich vorgestellt, bei wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, DozentInnen und Verwaltungsangestellten. Und immer wieder hat sie erklärt, warum sie als erste Studentin in der Geschichte der Hamburger Universität zweite Vizepräsidentin der Hochschule werden möchte.

Heute nachmittag stellt Fiedler sich zur Wahl. Sie tritt gegen Holger Weidner vom Verwaltungspersonal an und gegen Holger Fischer, der für den Mittelbau ins Rennen geht. Die Professoren haben keinen Kandidaten gestellt; sie besetzen mit dem Erziehungswissenschaftler Wilfried Hartmann den Posten des ersten Stellvertreters von Präsident Jürgen Lüthje. Dennoch entscheiden die Profs, wer dritter Chef der Hochschule wird: Im Konzil, dem höchsten Gremium der Universität, haben sie 31 von 61 Stimmen und damit die absolute Mehrheit.

Die Uni, das ist für Fiedler die Mitte. Auf dem Campus findet ein Großteil dessen statt, was ihren Alltag ausmacht: Die Vorlesungen, die Seminare, mehr noch aber der Asta und das Studierendenparlament. „Nur studieren, das ginge gar nicht“, sagt sie. „Nicht, wenn man einmal mit der Hochschulpolitik angefangen hat.“ Als Hochschulchefin möchte sie „Denkanstöße geben“ und sich für eine sanfte Reform der Uni einsetzen. Interdisziplinarität ist eines ihrer Anliegen, ein besseres Angebot für Teilzeit-studentInnen ein anderes.

Daß „kaum noch jemand ohne Job durchs Studium kommt“, weiß Fiedler aus eigener Erfahrung. Abends und an den Wochenenden arbeitet sie bei einem ambulanten Pflegedienst – weil „das von den Zeiten her so gut zum Studium paßt“, und weil sie in Leipzig, wo sie geboren ist, zunächst eine medizinische Ausbildung machte, bevor sie ihr Abitur nachholte und studieren ging.

Über ihre Chancen bei der heutigen Wahl mag sie nicht spekulieren. „Es ist alles offen“, sagt die angehende Biologielehrerin. Wenn die Lehrenden sie nicht wählen, erklärt sie dann selbstbewußt, „hat die Uni eine Chance verpaßt“. Schließlich kann die Hochschule bei der heutigen Wahl erstmals zeigen, daß sie die Studierenden in Entscheidungen einbinden will. Seit Ende vorigen Jahres dürfen sich StudentInnen um das Amt bewerben. Ermöglicht wird das durch die Experimentierklausel im Hamburgischen Hochschulgesetz.

Angst vor den Anforderungen des Präsidentinnenamtes hat Fiedler nicht – auch nicht, wenn ihr Terminplan dann noch voller wird. „Es gibt schon Abende, an denen ich keine Lust mehr habe und nur in meinem Zimmer sitze“, lächelt sie. „Aber das ist am nächsten Tag vorbei.“ Dann steht schon der nächste Termin an.