Weitere Kerbe in Fugmanns Holz

■  Die Hälfte der Berliner Wasserbetriebe ist für 3,3 Milliarden Mark so gut wie verkauft. Doch die Opposition bezweifelt den haushaltspolitischen Erfolg des Geschäfts

Unter den gegebenen Umständen hat Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) einen akzeptablen Preis und vernünftige Konditionen herausgeholt. Sollte das Land Berlin wirklich 49,9 Prozent der Wasserbetriebe, wie am Montag abend angekündigt, an die Firmengruppe Vivendi/RWE/Allianz verkaufen, wird vielen KritikerInnen der Wind aus den Segeln genommen sein. Noch trägt der Vertrag keine Unterschrift. Kommt es in einigen Tagen dazu, wird das Geschäft große internationale Beachtung finden – stellt es doch eine der umfangreichsten Wasserprivatisierungen Europas dar. Zugleich bestätigt es Fugmann-Heesings Ruf als konsequente und effektive, nicht jedoch brutale Saniererin.

Das vom Lenkungsausschuß des Senats nunmehr bevorzugte Bieterkonsortium hat einiges geschluckt. So genießen sämtliche rund 6.400 Beschäftigte der heute komplett landeseigenen Wasserbetriebe Kündigungsschutz auf 15 Jahre – sehr viel sicherer leben nicht einmal BeamtInnen. Die VerbraucherInnen haben Gewißheit, daß bis 2003 die Wasserpreise nicht steigen. Außerdem wollen die Investoren über 2.000 neue Jobs zum Teil im hochqualifizierten Dienstleistungsbereich schaffen, in dem die Stadt bisher Defizite hat.

„Mit dem Ergebnis kann ich leben“, sagte gestern CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky. „Das klingt alles sehr gut“, schloß sich SPD-Wirtschaftsexperte Hermann Borghorst an. Aber die Details kennen die ParlamentarierInnen noch nicht. Vor einem abschließenden Urteil will Borghorst zunächst lesen, welche Garantien die Investoren für die Einhaltung der Kaufbedingungen bieten und welche Vertragsstrafen vereinbart wurden.

Aus leidvoller Erfahrung weiß auch Fugmann-Heesing, daß zugesicherte Jobs und Investitionen immer auch ein mögliches Druckmittel darstellen. So machte der Viag-Konzern die Einhaltung von Zusagen im Zusammenhang mit dem Kauf der Bewag vom Wohlverhalten des Landes bei einem Grundstücksgeschäft abhängig. Als stärkstes Argument freilich gilt der beschlossene Kaufpreis von 3,3 Milliarden Mark für 49,9 Prozent der Wasseraktien, der weit über den Erwartungen liegt.

An diesem Punkt setzen nun die KritikerInnen an. Der bündnisgrüne Wirtschaftsexperte Vollrad Kuhn befürchtet, daß am Ende bei realistischer Rechnung nur zwei Milliarden Mark in Fugmanns Kassen klingeln. Von den 3,3 Milliarden abziehen müsse man nicht nur 200 Millionen, die die Investoren direkt in das marode Entsorgungszentrum Schwarze Pumpe stecken sollen, sondern auch die Reduzierung des bisherigen Eigenkapitals von Schwarze Pumpe, was einen entsprechenden Verlust für das Land bedeute. Fugmann-Heesings Sprecher Dirk Wildt argumentiert dagegen, daß dieses Vermögen ohnehin aufgebraucht sei. Die Abschreibung stelle deshalb nur einen formalen Akt dar, den man nicht mit dem Kaufpreis verrechnen dürfe. Doch damit hat Kritiker Kuhn seine Minusliste noch nicht erschöpft. Das Land müsse zum Teil auch noch finanzielle Risiken für alte Grundstücke und Gerichtsprozesse tragen, die die Wasserbetriebe eventuell verlieren könnten, so Kuhn.

Vermutlich bleibt der Kaufpreis in haushaltstechnischer Sicht jedoch ein Erfolg. Das Land kann mehr Geld lockermachen, als durch die Entnahme von zwei Milliarden Mark Eigenkapital aus dem Unternehmen, den die Bündnisgrünen vorschlugen. Denn auch von dieser niedrigeren Summe hätte man die Verluste für Schwarze Pumpe und die anderen Ausgaben abziehen müssen.

Vom Haushalt einmal abgesehen: Es bleibt die Frage, ob ein Land ein so wichtiges Unternehmen zur Hälfte verkaufen muß, um die Vorteile zu erlangen, die die Investoren nun zusichern. Könnte nicht der Staat seine Betriebe zu effektiven, lukrativen Konzernen machen, die soziale Sicherheit und gleichzeitig Einnahmen bieten?

Finanzsenatorin Fugmann-Heesing meint „Nein“ – im Zeitalter der Liberalisierung steht sie damit nicht allein. Nachdem der Vorstand der Wasserbetriebe – teilweise nach parteipolitischem Versorgungskalkül besetzt – den Beweis des Gegenteils in der Vergangenheit schuldig blieb, wird er ihn nun nicht mehr antreten können. Für den politischen Preis, den die Investoren zahlen, um einen Fuß auf den deutschen Wassermarkt zu bekommen, wollen sie zukünftig bestimmen, wo es langgeht. Was das Land, die Beschäftigten und die VerbraucherInnen wirklich von dem Geschäft haben, wird man erst in zehn Jahren beurteilen können. Hannes Koch