■ Schröder und Blair feiern den Tod der „alten Linken“
: New Everything

Jetzt geht Gerhard Schröder, die Neue Mitte im Schlepptau, also endgültig auf dem „Dritten Weg“. Im strengen Modernisierungsjargon von New Labour ist das Manifest „The Way Forward for Europe's Social Democrats“ gehalten, das Schröder und Tony Blair gestern in London präsentierten. Es trägt die Handschrift der Chefideologen der Entideologisierung, Bodo Hombachs und des gestrauchelten Labour-Strategen Peter Mandelson.

Solche Pamphlete haben ihr spezifisches Gewicht im Setting symbolischer Politik, denn selbstverständlich wird mit dem pathetischen Bekenntnis, daß sich das „soziale Gewissen“ einer Gesellschaft nicht an der Höhe der öffentlichen Ausgaben bemißt, weder das Budget saniert, noch werden die Lohnnebenkosten reduziert. Es wird mit diesen Papieren, deren es bereits viele aus der Feder der Blairisten und noch wenige aus denen der Schröderianer gibt, vor allem der „permanente Revisionismus“ annonciert, der das Betriebsklima des Blairismus prägen soll.

Doch keiner soll glauben, solche Schriften hätten keinen Einfluß auf die Wirklichkeit. Zuallererst wird die Wählerschaft bei der Stange gehalten, die – in Gesellschaften des rasanten Wandels, der verkürzten Produktzyklen – alten Parteien nur dann ihr Vertrauen garantiert, wenn diese ihre permanente Erneuerung glaubhaft machen. „New Labour, New Europe, New Everything“, witzeln selbst Downing-Street-Höflinge über den Modus dieser Propaganda. Nach innen wird die reformunlustige Parteibasis mit solchen Prinzipienerklärungen nach und nach dazu geprügelt, den Widerstand gegen eine Politik aufzugeben, die sie eigentlich für prinzipienlos hält.

Drittens werden auf diese Weise Machtverschiebungen zelebriert und zementiert, die zuvor weniger merklich stattfanden. So ragt auch diese Erklärung in die neue politische Landschaft eines Europas hinein, dessen linke Staatsführer gerade eine Kriegskampagne der neuen Art durchgeführt haben. Der Menschenrechtsbellizismus hat nicht nur den Krieg verändert, sondern auch jene, die diesen Krieg führen – und deren Parteien. Ohne den Krieg hätte Schröder seine Dominanz in der SPD nicht so schnell abgesichert, der Ex-Finanzminister – wie hieß er noch mal? – wäre nicht so schnell in Vergessenheit geraten.

Mit Lafontaine hätte es dieses Papier nie gegeben. Ohne Miloevic wohl auch nicht. Und das, obwohl in dem Papier kaum vom Krieg und viel von Steuern die Rede ist. Robert Misik

Der Autor ist Redakteur des Wiener Magazins Format