Suzanne, Sophia und Sonja

■ Raffinierte Sprache des Begehrens: die ansonsten kompromißlose Suzanne Vega fungiert im Stadtpark als Vorgruppe der pseudo-melancholischen Mike & The Mechanics

Daß Künstler einen Preis zu zahlen haben, sollten sie nicht länger gewillt sein, gewisse Publikumserwartungen zu erfüllen, scheint nur ein Allgemeinplatz zu sein, der in para-noider Selbstwahrnehmung wurzelt. Doch zuweilen kennt die Wirklichkeit keine Gnade. Suzanne Vega etwa füllte das Stadtparkrund oder den großen CCH-Saal Ende der 80er noch im Alleingang – zuletzt reichte es Ende 1996 nur noch für eine mäßig gefüllte Große Freiheit. Und in der laufenden Freiluft-Saison muß sie gar als beschämend unter Wert verkaufter Support für das pseudo-melancholische Radio-Futter des Genesis-Ablegers Mike & The Mechanics herhalten. Das ist in etwa so, als müßte Sophia Loren eine Festrede zu Ehren von Sonja Kirchberger halten. Und es paßt ins Bild, daß kürzlich auch Vegas langjähriges Traditions-Label A&M im Fusionsfieber zu Grabe getragen wurde.

Aber hatte die New Yorkerin nicht schon 1985 in „Marlene On The Wall“ das Unvermeidliche vorweggenommen, als sie sang: „I guess it–s called my destiny that I am changing“? Vega hätte im Gefolge ihres größten Hits weiter viele kleine „Luka“-Sonderlinge in die Top 5 schicken können. Doch bandelte sie auf dem Weg aus der Neo-Folk-Sackgasse lieber mit dem Sound-Designer Mitchell Froom an, eine in jeder Hinsicht produktive Liaison. Im Studio brachte sie mit dem so lebensnahen wie surrealen Industrial-Folk-Meisterwerk 99,9F und dem erotisch aufgeladenen Nine Objects Of Desire ihre besten Alben hervor. Zwischendurch reichte es im Bett für eine gemeinsame Tochter.

Und so ist aus dem einst linkischen College-Girl eine Frau mit Geheimnis geworden, die eine raffinierte Sprache des Begehrens zu sprechen weiß. „I know your name, I know your skin, I know the ways how these things begin“, haucht sie zu sanft pochenden Bossa-Rhythmen, bleibt kühl aber selbst da, wo die Glut verzehrend wird. Die dezimierte, aber treue Vega-Gemeinde muß Suzanne jetzt beistehen in dieser Stunde der Not. Auch wenn–s schwerfällt. Immerhin verpflichtet die Eintrittskarte ja nicht dazu, sich den Hauptact auch noch anzuschauen. Mein Alternativ-Vorschlag: Einfach gehen, irgendwo im Stadtpark „Another Cup Of Coffee“ trinken und dabei weiter von süßem „Caramel“ träumen.

Jörg Feyer

mit Mike & The Mechanics: So, 13. Juni, 16 Uhr, Stadtpark