Cockrock united

Kraftmeierei, Kopulationssimulation und kaputte Typen: Aerosmith und Lenny Kravitz in Bahrenfeld  ■ Von Oliver Rohlf

Einmal Lippe, immer Lippe. Einem Rockstar wie Steven Tyler kann man ruhig so kommen. Der macht seit gut drei Dekaden nichts anderes. Auf dünnen Stelzen herumgurken, mindestens 300 Songs mit Fickgeschichten füllen, Rippen zeigen und ganze Whiskyflaschen im Mund verschwinden lassen. Aerosmith sind Cockrock seit 1970, als die Band von New Hampshire nach Boston zog, um von dort aus nach oben zu kommen. Und genau dort stehen sie und zelebrieren jede nur erdenkliche Pose als geweihte Handlung.

Da stehen sie wieder, muß man sagen, denn es gab eine Zeit, da wollte kaum mehr jemand etwas von diesem beckenbumslastigen Sleaze-Kram hören. In der ersten Hälfte der Achtziger waren Aero-smith im tiefen Tal der Tränen, und selbst heute stimmen die vier Geläuterten in das laute Klagelied ein, das von den unerträglichen Ego-Kaspereien, Drogenorgien und zu vielen Groupieklarmachereien erzählt und sie fast kaputt gemacht hätte. Die Achtziger – das waren Metal, Wave und Elektro, nur kein Stadionrock. Doch dann kamen Run DMC und reanimierten diese alte Rockleiche via „Rock this way“, einem Hit von 1975 – mit Steven Tyler und dem Gitarristen Joe Perry in den Video-clip-Hauptrollen als sie selbst. Über die letzten zehn Jahre haben Aerosmith sich als Musiker wie als Menschen wieder selbst eingeholt und leben als konsequente Gitarrengniedler ein Wechseldasein zwischen Rockern und deren Karikatur.

Zeit scheint sich hier ins Zeitlose zu wandeln, denn wer kann schon aus dem Stand sagen, wieviele Jahre genau zwischen „Janie' Got A Gun“ und „Don't Wanna Miss A Thing“ liegen. Die Antwort kam indirekt von unerwarteter Stelle. Ausgerechnet Liv Tyler, die schauspielernde Tochter von Sänger Steven, machte sich vor nicht allzu langer Zeit über das peinliche Bühnengebaren ihres alternden Vaters lustig. Und siehe da: Auf einmal waren Aerosmith wieder Gefangene ihrer eigenen, prähistorischen Geschichte, die eben vor gut 30 Jahren begann und die Rocker zu Beinahe-Rentnern machte. Denn Steven ist 51.

Lenny Kravitz funktioniert ganz ähnlich, mit dem einen Unterschied, daß sich vor seiner Form von Rock ein „Retro“ aufgebaut hat, und das wird wohl niemals verschwinden. Für Kravitz ist das in Ordnung, denn im direkten Vergleich mit Tyler obsiegt natürlich der Kraftmeier. Schon weil er jünger ist, besser tanzen kan und die Trends der Neunziger früh zu deuten gelernt hat. Bereits vor Jahren erarbeitete sich der Soulracker seinen sauteuren 70er-Look, die entsprechenden Musikzitate und den Partyhabitus von damals. Klingt zwar eher nach Disco, meint aber Rock. Große Bühne und weite Welt inklusive.

Dort sehen sich auch die unsäglichen Black Crowes verortet. Die ehemaligen Barfuß-Musiker, die sich jüngst als die rock'n'rolligste Rock'n'Roll Band der Welt outete, hat nach einigem Ärger mit Bandmitgliedern, Tourmanagement und Label eine Arbeitsweise an den Tag gelegt, die das Thema Drogen auf die Zeit vor und nach dem Songwriting verteilt. Was letztlich weniger in der Musik zu spüren ist als in der Erkenntnis, daß vor allem Bandchef Chris Robinson hauptberuflich damit beschäftigt ist, anderen zu erzählen, wie es ist, Black Crow zu sein.

Fr, 12. Juni, 16 Uhr, Trabrennbahn Bahrenfeld