Demokratie komplex

■ Ärger über komplizierte EU-Wahl: Von 7.700 wahlberechtigten EU-BürgerInnen haben sich nur 175 zur Stimmabgabe registrieren lassen / Hamburg bessert schon nach

Eigentlich reden die Bremer EuropäerInnen politisch ganz gerne mit. Immerhin 17 Prozent der insgesamt 7.700 wahlberechtigten Bremer EU-BürgerInnen haben am vergangenen Wochenende bei den Wahlen zu Stadtbürgerschaft und Ortsbeiräten erstmals ihre Stimmen abgegeben (siehe auch nebenstehender Kasten). Für die Europawahl am kommenden Sonntag allerdings zeichnet sich schon jetzt ab, daß die Wahlresonanz mehr als bescheiden ausfallen wird: Erst 175 EuropäerInnen haben sich für die bevorstehenden Wahlen am Sonntag registrieren lassen. Das sind 325 weniger als beim letzten Mal. Doch ohne Registrierung läuft nichts; wer die offizielle Meldefrist bis zum 10. Mai verpaßt hat, kann auf der deutschen Liste jedenfalls niemanden mehr wählen – und auch nur in Einzelfällen auf der des Herkunftslandes oder per Briefwahl oder im Konsulat.

„Woher sollte ich das wissen?“ schimpft der Bremer Franzose Francis Segond. Er lebt schon seit 18 Jahren in der Hansestadt. Hier war er bereits für Europawahlen registriert – vor fünf Jahren, als das erstmals möglich war. Doch anders als er dachte, reicht das nicht aus. Für die Wahl eines deutschen Europaabgeordneten hätte er sich erneut registrieren lassen müssen. Nur: „Das wußte ich nicht.“ Seiner Wahlbenachrichtigung für die Bürgerschaftswahl und für die EU-Wahl habe – anders als vom Wahlamt angegeben – keine Information darüber beigelegen. Jetzt hat er einen Anwalt eingeschaltet, denn: „Für mich ist die Europawahl wichtiger als eine lokale Wahl. Das wird in den nächsten Jahren eine große Rolle spielen.“ Sein Anwalt fordert vom Landeswahlamt die nachträgliche Eintragung von Segond ins Wählerverzeichnis.

„Seit Jahren lebe ich hier. Ich will hier wählen“, besteht der Franzose auf seinem Wahlrecht. Daß das gefährdet ist, erfuhr er überhaupt nur per Zufall, als er beim Wahlamt kürzlich Briefwahl beantragen wollte, „weil ich am Sonntag nicht hier bin“. Bis dahin sei er davon ausgegangen, „daß es so läuft wie bei der Bürgerschaftswahl“. Erst jetzt hat er erkannt: „Zwischen der Wahlbenachrichtigung und der letzten Möglichkeit zu registrieren hätten sowieso nur fünf Werktage gelegen. Viel zu kurz.“

„Eine längere Zeit zwischen Benachrichtigung und Registrierung ging wegen der Bürgerschaftswahlen nicht“, hält der Leiter des Bremer Landeswahlamtes, Dieter Matthey, dagegen. Auch seien die Meldefristen notwendigerweise vorgegeben – um zu verhindern, daß EuropäerInnen, die in Bremen leben, doppelt wählen: einmal auf der deutschen Liste für das Europaparlament und einmal auf der des Heimatlandes. Man sei den bundesweit geltenden Regelungen gefolgt. Im übrigen fordert Matthey das „Aktivbürgertum“. Ungerührt sagt er: „Der Bürger muß sich auch informieren.“ Daß Mißverständnisse vielleicht möglich waren – weil die Informationen gleichzeitig mit der Benachrichtigung für die Bürgerschaftswahl verschickt wurden, für die EU-BürgerInnen nicht registrieren mußten, räumt er ein. Aber zu machen sei da nichts mehr.

Wäre Francis Segond dagegen Italiener, oder würde er in Hamburg leben – die Sache sähe für ihn besser aus. Zwar hat Hamburg niemals gezielt Wahlinformationen verschickt; dort lagen die Broschüren lediglich in öffentlichen Einrichtungen aus. „Aber“, sagt der Wahlrechtsreferent der Hamburger Innenbehörde, Christoph Bushart, „wir haben gemerkt, daß unsere Informationen nicht so viele EU-Bürger erreicht haben“. Deshalb können sich Hamburger EU-BürgerInnen, die glaubhaft erklären können, daß sie die Informationen nicht bekommen haben, derzeit doch noch registrieren lassen. Auch in Schleswig-Holstein sei man kulant.

Die großzügigsten Wahlförderer aber sind die ItalienerInnen – in Bremen wie in Hamburg. Nicht nur hat das italienische Außenministerium seine AuslandsbürgerInnen in ganz Europa schriftlich an die Wahl erinnert. Sogar wer vergessen hat zu registrieren – oder nur auf Durchreise ist – wird kaum Probleme bekommen. „Nicht schlimm, die kommen mit Ausweis hierher“, sagt die bremisch-italienische Honorarkonsulin Inge Beutler. „Eigentlich hat es immer funktioniert“, lacht sie. „Aber fragen Sie lieber im Konsulat in Hamburg, wie man kontrolliert, daß da niemand doppelt wählt.“ Sie will derweil Sorge tragen, daß die italienischen EU-Wahlen schon am Freitag ab 17 Uhr 30 beginnen. „Dann können die jüdischen Bürger noch vor dem Sabbatt wählen.“ ede