Eine Dienerin der Komponistenzunft

■ Die Altistin Maria Kowollik über ihren Beruf als Lehrerin und Interpretin / Erstes „Meisterkonzert“ an der Hochschule für Künste

Wie musizieren eigentlich „unsere“ ProfessorInnen an der Hochschule für Künste? Zwar taucht der eine oder die andere mehr oder weniger regelmäßig in Konzerten auf, aber eine gezielte Vorstellung war bislang ausgeblieben. Das soll nun anders werden und verspricht hinsichtlich der zahlreichen namhaften Neuberufungen der letzten Jahre hochinteressant zu werden. „Meisterkonzerte“ sollen die Abende heißen, und den Anfang macht die 1960 in Trier geborene Professorin für Gesang Maria Kowollik, die im Wintersemester 1994/95 nach Bremen kam. Die Altistin hat sich einen internationalen Namen gerade in der zeitgenössischen Musik erworben – wie, das erzählte sie der taz in einem Gespräch.

taz: Frau Kowollik, was ist der Background für Ihren Beruf ?

Maria Kowollik: Mein Vater war Dirigent, konnte aber den Beruf nach dem Krieg nicht ausüben. Er arbeitete in der familiären Druckerei, hat uns vier Kinder aber ans Klavier gesetzt. Ich bin einfach mit Musik groß geworden, versuchte aber erst einmal Medizin zu studieren. Das klappte aber gar nicht, dieses Pauken von etwas, was man nicht einsieht. Dann habe ich Schulmusik mit Cello-Hauptfach in Saarbrücken studiert mit den Hauptfächern Geschichte und Musikwissenschaft. Mein Gesangsunterricht war ohne Perspektive. Ich beabsichtigte auch nicht, Sängerin zu werden. Aber dann – ich war schon 26 – kam ich zu Charlotte Lehmann in Hannover. Ich machte mein Operndiplom in Gesang und das Gesangslehrerdiplom.

Wie kam es zu Ihrem Schwerpunkt Neue Musik?

Da kam vieles zusammen. Einmal habe ich ein absolutes Gehör, das heißt, ich habe keine Probleme, die richtigen Töne zu treffen. Dann war ich schon immer neugierig auf alle Art von Musik. Drittens habe ich durch Teilnahmen an Wettbewerben mit ihren schwierigen Herausforderungen – bei sechzehn Teilnahmen habe ich acht Preise gewonnen – festgestellt, was mein Potential ist. Das ging zeitgleich mit der Erfahrung, daß ich das Opernsingen nicht zu meiner Zufriedenheit würde ausbauen können. Es gibt im Theaterbetrieb zu wenig Vision und für mein Stimmfach einfach zu wenig Rollen.

Ich könnte mir vorstellen, daß die Abwehr gegenüber Neuer Musik bei Sängerstudenten noch größer ist als bei Instrumentalisten.

Ja. sicher. Aber ich kann die Liebe zur zeitgenössischen Musik nicht erwarten, sie sind nicht damit konfrontiert worden. Außerdem muß bei mir jede und jeder das singen, was ihr und ihm liegt. Das muß jeder selbst herausfinden. Es muß nicht Neue Musik sein. Interessant aber ist, daß diejenigen, die wirklich von innen heraus, sozusagen mit angeborener Authentizität Sänger und Sängerinnen sind, diese Repertoireprobleme nicht haben. Die singen alles.

Was zeichnet eine moderne Sängerin aus – eine, die ihren Weg und ihre Karriere macht?

Man darf auf keinen Fall die eigene Emotionalität in den Vordergrund stellen. Man muß die „Dienerin“ des Komponisten sein. Klingt komisch, ist aber genau so. Das heißt, man muß erforschen, was wollte der Komponist, warum hat Schubert hier einen Zweiviertel Takt geschrieben und nicht einen Dreier? Erst, wenn ich diese dienende Position einnehme, kann ich erreichen, daß das Publikum anders aus dem Konzert herauskommt als es reingeht. Das ist mein Ziel..

Wie wirkt sich das Unterrichten auf Ihre eigene Entwicklung aus?

Da ich meine Schüler nicht nur nach der Stimme, sondern vor allem nach Ihrer Persönlichkeit aussuche, erlebe ich sehr viel, was mir etwas gibt. Manchmal frage ich mich, wie machen die das, das könnte ich nie, auch wenn ich rein physiologisch kapiere, was passiert. Vom Singen geht so viel mehr Geheimnis aus als vom Instrument.

Sie singen „Le Marteau sans Maitre“ von Pierre Boulez, sicher eine der schwersten Partituren in der Neuen Musik.

Die rhythmische Komplexität, die hier schon 1953 auftaucht, hat es so zuvor noch nie gegeben. Das muß einfach so lange aufgegliedert nach einzelnen Parametern geübt werden – Tonhöhen, Rhythmus, Klangfarbe – bis es sich als Ganzes im „Muskelgedächtnis“ verankert.

Und „Flammenzeichen“ von Younghi Pagh-Paan?

Das Stück verlangt den schnellen Wechsel zwischen Singen, Flüstern, Sprechen, Sprechgesang. Wieder andere Anforderungen stellt „Zarathustra I“ von André Werner: extreme Lautstärkeunterschiede von „nichts“ zu vierfachem Fortissimo, den Einsatz der Körpersprache und die Ausnutzung der Raumsprache.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze / Fotos: Laura Marina

Konzert Freitag, 11. Juni, 20 Uhr, Glocke mit dem Neuen Ensemble, Leitung: Peter Rundel