■ Filmstarts a la carte
: Aufsteigende Hitze

'Jüdische Männer im Film' präsentiert das 5. Jewish Film Festival dieser Tage im Arsenal-Kino. Die Herren, die Regisseur Jonathan Berman in seiner Dokumentation The Shvitz über New Yorks traditionelle Dampfbäder in denselben vorfindet, sind meist schon etwas älter, oft ziemlich rundlich und von einer ansteckend heiteren Gelassenheit. Man schwitzt und ruht, man ißt und trinkt und erzählt prima Anekdoten. Wie die von dem Typen, der eines Tages ins Dampfbad kam und sich darüber beklagte, daß draußen gerade eine Hitzewelle grassierte. Das Dampfbad – eine der letzten Bastionen einer Kultur, die einst von den osteuropäischen Einwanderern aus der alten Heimat mitgebracht wurden. Doch die Tage der gemeinschaftlichen Gemütlichkeit sind gezählt: äThe Shvitzô erzählt auch davon, wie sich die Dampfbadkultur mit der zunehmenden Assimilation der osteuropäischen Juden im Laufe der Zeit verändert hat. Längst sind die gewaltigen Badepaläste vom Ende des letzen Jahrhunderts geschlossen, und auch die zwischenzeitliche Wiederbelebung der Badekultur, als die Homosexuellen die Dampfbäder für sich entdeckten, fand mit der Aidsgefahr in den achtziger Jahren ein jähes Ende. Mittlerweile kann man sogar gemischtgeschlechtlich saunieren. Allerdings läßt die Aussicht, plötzlich mit Tante Rifka im gleichen Bad zu sitzen, die befragten Herren etwas irritiert zurück. So interessant und amüsant der Blick in die New Yorker Bäder auch ist, die Ästhetik des Films läßt dann doch einige Wünsche offen: Unentwegtes Herumwackeln mit der Handkamera ist auf Dauer kein Ausdruck von gesteigerter Authentizität.

The Shvitz (OF) 16.6. im Arsenal mit einer Einführung von Henryk M. Broder

Einem bedeutenden Kino- Forscher widmet das Checkpoint bis Ende Juni eine kleine Reihe: Louis Malle, der einer Etikettisierung seitens der Kritiker aus dem Weg ging, indem er kein Thema zweimal behandelte, zwischen Spiel- und Dokumentarfilmen wechselte, und seiner Arbeit sowohl in Europa wie in Amerika nachging. Sein größter Verdienst lag jedoch darin, den filmischen Umgang mit Sexualität von verschämten Anspielungen und Zweideutigkeiten befreit zu haben – unspektakulär, meist geschmackvoll und manchmal mit Humor. In Milou en Mai (Eine Komödie im Mai) findet sich eine spießbürgerliche Familie im Jahre 1968 auf dem Landgut zur Beerdigung der Großmutter ein. Ihre kleinlichen Streitigkeiten ums Erbe enden allerdings abrupt, als man im Radio von der Mairevolte hört. De Gaulle ist beinahe ins Exil gedrängt, die Protagonisten glauben sich on Revolutionären umzingelt und fliehen in die Wälder. Doch wenigstens die freie Liebe, von der neuerdings so oft die Rede ist, möchte man vor seinem Tode noch einmal ausprobieren. Daß die lesbische Nichte ihre Freundin mitgebracht hat, und ein muskulöser Lastwagenfahrer zur Gruppe stößt, trifft sich da gut...

Eine Komödie im Mai 14.6.- 16.6.; Louis-Malle-Reihe bis 30.6. im Checkpoint

Noch ein Forschungsprojekt in Sachen Bourgeoisie: Als Abschluß einer Reihe von Filmen mit Sandrine Bonnaire zeigt das Arsenal in der kommenden Woche Claude Chabrols La cérémonie (Biester), in dem die Schauspielerin eine etwas verhuschte Haushälterin bei einer Fabrikantenfamilie in der Provinz verkörpert. Doch die Freundschaft mit einer überaus forschen Postangestellen (Isabelle Huppert) verändert ihr Leben. Als dann auch noch ihr Analphabetentum entdeckt wird, öffnet sich die Büchse der Pandora.

La cérémonie (OmU) 11.6.- 12.6. im Arsenal

Lars Penning