Radunski meldet Vollzug

■  Bernd Wilms, bisher Chef des Maxim-Gorki-Theaters, wird neuer Intendant des Deutschen Theaters. Staatssekretär Pufendorf hatte eine prominentere Besetzung torpediert

Das Gerücht hatte den Intendanten ein wenig verärgert. Mitnichten verdiene er am Maxim-Gorki-Theater 200.000 Mark im Jahr, dementierte Bernd Wilms noch vor wenigen Monaten einschlägige Pressemeldungen. Einschränkend fügte er aber hinzu: „Ich arbeite daran.“

Jetzt ist es soweit. „Ich kann Vollzug melden“, ließ Wilms gestern wissen. Im Sommer 2001 wechselt er von der kleinsten zur größten Staatsbühne Berlins – auf den weit besser dotierten Intendantenposten des Deutschen Theaters (DT).

Während sich Wilms über die Entscheidung des Kultursenators Peter Radunski (CDU) naturgemäß freute, reagierte die Fachwelt enttäuscht. Schließlich waren fast alle großen Namen der deutschsprachigen Theaterszene für den Spitzenposten gehandelt worden. Da wirkt die heimische Lösung ein bißchen bescheiden.

Im Januar hatte Radunski dem amtierenden DT-Chef Thomas Langhoff mitgeteilt, er werde seinen Vertrag nicht verlängern. Doch da stand Radunskis Wunschkandidat, Frank Baumbauer vom Hamburger Schauspielhaus, schon nicht mehr zur Verfügung. Der höchst erfolgreiche Theatermanager nahm lieber das Angebot der Stadt München an, die an ihren Kammerspielen gerade Dieter Dorn gefeuert hatten.

Radunskis Staatssekretär Lutz von Pufendorf hätte Dorn gern ans DT geholt, um das Haus als letzte bürgerlich-betuliche Bühne Berlins zu erhalten. Radunski hingegen war mit dem Stuttgarter Schauspielchef Friedrich Schirmer schon fast handelseinig, der sich in der Schwabenmetropole mit einer Schar junger Regisseure einen innovativen Ruf erarbeitet hatte. Im Stuttgarter Kunstministerium war Schirmer bereits wegen einer vorzeitigen Auflösung seines Vertrags vorstellig geworden. Peinlich also für ihn, daß seine Bewerbung von der Berliner Pufendorf-Fraktion zerredet wurde. Vor einer Woche hatte er daher unter heftigem Applaus der schwäbischen Presse diktiert, er werde in Stuttgart bleiben.

Kaum war die Schirmer-Absage in Berlin eingetroffen, da klingelte bei Gorki-Intendant Wilms das Telefon. Am Apparat: Peter Radunski. Der Kultursenator ließ den Theatermann wissen, wie sehr er dessen Arbeit schätze. Am Dienstag abend waren die beiden dann handelseinig.

„Ich habe mich nicht beworben“, suchte Wilms gestern den Eindruck zu entkräften, er sei als Kandidat der zweiten Wahl bereits vor Amtsamtritt beschädigt. „Ich freue mich riesig“, sagte Wilms, „die Angst kommt früh genug.“ Er wolle „ein bißchen vom Gorki-Theater mitnehmen“, aber er plane mehr als eine bloße „Vergrößerung“ seiner bisherigen Arbeit. Eine Absage erteilte er jedoch dem Wunsch Radunskis, vorangig Regisseure wie Peter Stein, Luc Bondy, Klaus-Michael Grüber oder Dieter Dorn zu beschäftigen. Er wolle nicht „Theatergeschichte rekonstruieren“, sondern „Neuentdeckungen“ fördern. Auch über ein kleineres Ensemble und eine größere Zahl von Premieren will Wilms nachdenken.

Dem Gorki-Theater, das er seit 1994 leitet, hat der 58jährige Wilms durch spektakuläre Inszenierungen wie Katharina Thalbachs „Hauptmann von Köpenick“ mit Harald Juhnke ein neues Profil verschafft. Auch der gescheiterte Plan, Fassbinders umstrittenes Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ herauszubringen, hat das Haus ins Gespräch gebracht. Jetzt ist die Existenz des einst akut gefährdeten Theaters nur noch durch die Ansprüche des Alteigentümers, der Singakademie, in Frage gestellt.

Die Opposition kritisiert daher, daß der Kultursenator mit seiner Entscheidung über die DT-Spitze „wieder andere Lücken aufgerissen hat“. Die Grabenkämpfe in der Kulturverwaltung, so die bündnisgrüne Abgeordnete Alice Ströver, hätten alle namhaften Kandidaten abgeschreckt. Ralph Bollmann