Kommentar
: Das Porzellan ist zerschlagen

■ Pufendorfs Rücktritt kommt zu spät

Es ist die richtige Entscheidung, aber sie kommt zu spät. Lutz von Pufendorf, Staatssekretär für Kultur, will den Kleinkrieg mit seinem Senator Peter Radunski beenden, indem er fünf Monate vor den Wahlen seinen Abschied nimmt. Für die Kulturstadt Berlin ist das gewiß kein Verlust. Schließlich war Pufendorf, auf Wunsch der SPD preiswert aus dem politischen Ruhestand reaktiviert, für den Senator nicht die erhoffte Hilfe, sondern ein Klotz am Bein. Das peinliche Gezerre um die Autonomie des jüdischen Museums geht ebenso auf sein Konto wie jetzt das Debakel bei der Intendantensuche fürs Deutsche Theater.

Zu spät kommt der Rücktritt aber deshalb, weil das Kind längst in den Brunnen gefallen ist. Radunskis Favoriten für die Spitze des Deutschen Theaters, allen voran Friedrich Schirmer aus Stuttgart, hat der Staatssekretär erfolgreich vergrätzt. Um seine Handlungsfähigkeit zu beweisen, hat sich der Senator jetzt für Bernd Wilms entschieden, den Intendanten des Maxim-Gorki-Theaters. Trotzdem steht Radunski jetzt vor einem Scherbenhaufen. Nachdem er selbst die Erwartungen an eine spektakuläre Hauptstadtkultur geschürt hatte, muß die Entscheidung für Wilms zwangsläufig provinziell wirken. Das ist nicht die Schuld des neuen Intendanten, der jetzt gleichwohl unter einem hohen Erwartungsdruck steht. Am DT wird es nicht mehr reichen, einfach nur einen Harald Juhnke oder Ben Becker auf die Bühne zu stellen.

Der Vorfall zeigt aber erneut, wie es um den Berliner Senat bestellt ist: Die Mäuse tanzen auf dem Tisch. Schon im vergangenen Herbst wußte Sozialsenatorin Beate Hübner keinen anderen Ausweg mehr, als ihren renitenten Staatssekretär Detlef Orwat in die Wüste zu schicken. Anders als die führungsschwache Ostfrau glaubte der Politprofi Radunski, seinen Staatssekretär auch ohne Rausschmiß ausbremsen zu können. Und tatsächlich blieb Pufendorfs Werben um Münchens Kammerspieler Dieter Dorn erfolglos. Doch um welchen Preis: Viel kulturelles Porzellan ist nun zerschlagen, der Ruf des Deutschen Theaters beschädigt, die Zukunft des Maxim-Gorki-Theaters in Gefahr. Ralph Bollmann

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