Bremer DVU-Mann braucht nicht zahlen

■ Tittmann haftet nicht für die Schulden seiner DVU-Vorgänger

Bremen (taz) – Der Einzug in die Bremische Bürgerschaft beginnt für den einzigen DVU-Abgeordneten Siegfried Tittmann mit einer angenehmen Überraschung: Veruntreute Gelder der letzten DVU-Riege will das Parlament nicht zurückfordern.

Als Rechtsnachfolger für die frühere DVU-Fraktion komme Tittmann nicht in Frage, bestätigte Bürgerschaftsdirektor Ernst-Ulrich Pfeiffer. Ehemalige rechte Abgeordnete schulden der Bürgerschaft mehr als 320.000 Mark.

An die alte Geschichte wird Siegfried Tittmann nicht gerne erinnert. 1991 zog die DVU in Bremen erstmals in Fraktionsstärke in ein bundesdeutsches Parlament ein. Doch schon bald spalteten sich drei DVUler ab und gründeten die Gruppe der „Nationalkonservativen“ (NK). Der Fraktionsstatus ging verloren, doch die Staatsgelder für die parlamentarische Arbeit flossen weiter und wurden von den Rechten nach Gutdünken ausgegeben.

1996 verknackte der Staatsgerichtshof sowohl DVU als auch NK zur Rückzahlung von 320.000 Mark „zweckentfremdeter Mittel“. Ein kleiner Fisch war noch der Kauf eines „Aktenvernichters“ für 500 Mark – später stellte sich heraus, daß es sich um eine Waschmaschine handelte. Auch Friseurbesuche, Damenoberbekleidung oder einen Sonnenschirm wollte der Abgeordnete Nennstiel als parlamentarische Ausgaben gewertet wissen. Für 140.000 Mark kauften die Abgeordneten zudem Zeitungen des DVU-Mäzens und -Chefs Gerhard Frey auf – klarer Fall von Parteienfinanzierung, urteilte das Gericht. Auch über 207.000 Mark für Sachverständige und Honorarkräfte wurde nicht Buch geführt.

Der neue Abgeordnete wird immer wieder mit den alten Vorwürfen konfrontiert. Das habe er „nicht verdient“, findet Tittmann. Schließlich sei er bereits seit acht Jahren in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung – ohne Finanzskandal.

Tatsächlich fiel Tittmann in Bremerhaven mehr durch „Rassismus und schlichte Inkompetenz“ auf – so urteilte zumindest eine Studie der Grünen über die Arbeit Tittmanns und seiner zwei DVU-Kollegen im Kommunalparlament. Tittmann habe beispielsweise in einer Haushaltsdebatte vorgeschlagen: „Politisch Verfolgte genießen Asyl. Dieses sind aber nur fünf Prozent, die anderen 95 Prozent müssen raus.“

Doch die Worte, die er in der Versammlung spricht, scheinen nicht unbedingt seinem Geist zu entspringen. „Seine Redemanuskripte tragen oft die Fax-Kennung der DVU-Zentrale in München“, erzählt ein sozialdemokratischer Abgeordneter. Die Vermutung: Die Reden werden in München nicht nur gegengelesen, sondern auch geschrieben.

Tittmann, der als Fahrer Zeitungen an Kioske ausfährt, sieht sich und seine Parteigenossen nicht als Rassisten. „Solche Menschen haben in der DVU kein Zuhause“, sagt der passionierte Jiu-Jitsu- (zweiter Dan), Kickbox- (erster Dan) und Karate-Sportler (erster Kyu). DVU-Werbeslogan: „Unser Siggi haut rein“.

1954 wurde Tittmann in Österreich geboren. In einem Fragebogen gibt Tittmann an, für Arno Breker und Richard Wagner ebenso zu schwärmen wie für das Deutschlandlied – „in allen drei Strophen“. Seine soldatischen Vorbilder sind Oberst Rudel, Feldmarschall Rommel und Generaloberst Dietl. „Ehre den deutschen Soldaten; das sind wir den noch lebenden sowie den toten auf immer und ewig schuldig.“

Ob von ihm in der Bürgerschaft nun handfeste Skandale zu erwarten sind? „Ich habe ein reines Gewissen“, sagt Tittmann. Ein noch reinerers Gewissen durch eine Rückzahlung der 320.000 Mark wäre der DVU theoretisch durchaus möglich. Allein für den Wahlkampf im Land Bremen soll DVU-Finanzier Frey rund 1,25 Millionen Mark ausgegeben haben – auch die doppelte Zahl ist zu hören. Christoph Dowe