Frieden für China kein Grund zum Jubeln

■ Pekings prowestlichen Reformpolitikern droht Gesichtsverlust

Das nahende Ende des Kosovo-Krieges löst in Peking gespaltene Gefühle aus. Das Einlenken von Slobodan Miloevic straft die chinesischen Medien Lügen, die seit Monaten Belgrad anfeuern. Sie und die Hardliner in der Führung sorgen deshalb dafür, daß – ähnlich wie in Serbien – auch in der Volksrepublik der greifbare Frieden nicht mit Jubel aufgenommen wird, sondern mit Skepsis und der Angst vor einem Gesichtsverlust.

Das Gesicht verlieren bei dem von der Nato diktierten Frieden vor allem die moderaten Reformer. Zwar ließen ihre Protagonisten kurz vor dem Einlenken Belgrads in einem Leitartikel des Parteiorgans Volkszeitung die bisherige Außenpolitik verteidigen: China müsse aller Treue zur Dritten Welt zum Trotz seine Beziehungen zu den Großmächten fortentwickeln. Die Beziehungen zu den USA gehörten zu den wichtigsten. Doch korrigierte Chinas Staatspräsident Jiang Zemin beim Gespräch mit dem EU-Kosovo-Beauftragten Martti Ahtisaari seine ureigene These: Frieden und Entwicklung seien nun nicht länger die Haupttendenzen in der Welt, sondern die Hauptherausforderungen für die Welt, die noch lange nicht multipolar sei, wie Pekings Reformstrategen seit Jahren wünschen. Es gebe durchaus die Gefahr, daß der Westen mit den USA an der Spitze doch die absolute Dominanz erhalte.

Dies ließ Chinas Führung verkünden, sie sehe in dem G-8-Friedensplan für das Kosovo noch Schwierigkeiten und zwar dort, wo die Nato sich das Recht nehme, gegebenenfalls auch gegen den Willen Jugoslawiens zu handeln. Diese Einwände teilen auch die Hardliner in Peking. Zwar rufen die marxistischen Linken schon jetzt zu einem „stolzen Isolationismus“ auf. Aber nicht einmal Chinas Militärs können sich damit anfreunden. Denn das würde bedeuten, daß die nach dem Nato-Angriff auf Chinas Belgrader Botschaft eingefrorenen Beziehungen zu den US-Streitkräften dauerhaft auf Eis liegen würden. Die unerwünschte Konsequenz wäre ein erschwerter Zugang zu waffentauglicher Hochtechnologie.

Dennoch mehren sich die Zeichen kurzzeitiger demonstrativer Konfrontation. Nicht die US-Handelsbeauftragte Charlene Barshefsky wurde nach Peking eingeladen, um die festgefahrenen Verhandlungen über Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) wieder aufzunehmen. Vielmehr schüttelte die gesamte chinesische Führung dem Präsidenten der nordkoreanischen Nationalversammlung, Kim Young Nam, bei seinem Peking-Besuch demonstrativ die Hand.

Ministerpräsident Zhu Rongji und Parteichef Jiang Zemin ließen den Amerikanern freundlich mitteilen, die Zeit eigne sich nicht für eine schnelle Annäherung zwischen China und den USA, wie Hongkonger Medien meldeten. Gemeint ist damit auch, daß – anders als erwartet – eine detaillierte Aufklärung des Nato-Angriffs auf Chinas Belgrader Vertretung wenn überhaupt erst nach dem Friedensschluß kommt.

Peking sieht sich mehr oder minder genötigt, dem UN-Resolutionsentwurf der G 8 zur Beendigung des Kosovo-Kriegs zuzustimmen. Zu Recht fürchten sich prowestliche Politiker wie Premier Zhu Rongji, daß, wenn Peking sich auch nur der Stimme im Weltsicherheitsrat enthält, ihnen ein Ausverkauf der chinesischen Interessen oder zumindest ein chinesischer Gesichtsverlust vorgeworfen wird. Ihr eigenes Gesicht haben die Reformer aus Sicht der Hardliner schon verloren, als Staatskommissarin Wu Yi im Sinne Zhu Rongjis sagte: Wenn zu viele in China gegen einen WTO-Beitritt seien, dann müßten die dem Westen gemachten Zugeständnisse wieder zurückgenommen werden. Shi Ming

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