500.000 Rückkehrer in den nächsten 90 Tagen

■  Die UNO steht mit den Vorbereitungen für die Rückkehr der Flüchtlinge ins Kosovo vor ihrer bislang schwersten Aufgabe

„Wir haben drei Monate, um das Unmögliche zu schaffen“, sagt UN-Flüchtlingshilfekoordinator Sergio de Mello über die Aufgaben, die auf die Vereinten Nationen im Kosovo jetzt zukommen. Wenn die internationale Kosovo-Truppe die militärischen Voraussetzungen für die Rückkehr der Flüchtlinge geschaffen hat, wird es Aufgabe der UN sein, die zerstörten zivilen Strukturen schnell wiederherzustellen.

„Wir müssen die Behausungen wiederherstellen, Schulen, ein Gesundheitssystem, wir müssen die Wirtschaft wieder in Gang bringen, vor allem die Landwirtschaft, und das alles vor dem Winter“, sagte de Mello, der im Mai eine zivile UN-Beobachterdelegation in das Kosovo geleitet hatte und schockiert über das Ausmaß und die Folgen der Vertreibungen zurückgekehrt war. Die Flüchtlinge werden „in nicht mehr als leere Mauern zurückkehren“, sagte er und fügte hinzu, daß auch die Situation in Serbien, wo in Folge der jahrelangen Wirtschaftssanktionen sowie der schweren Nato-Bombardements die Armut der Bevölkerung inzwischen besorgniserregend sei.

Ähnlich äußerte sich Carl Bildt, der Sondergesandte von UN-Generalsekretär Kofi Annan, für das Kosovo. „Was vor uns liegt, ist eine Aufgabe, die weit über alles hinausgeht, was wir je getan haben – sicherlich in Europa, aber vielleicht in der ganzen Welt“, sagte Bildt. Der Diplomat warnte davor, die Lösung der Kosovo-Frage isoliert zu sehen. Langfristig könne der Friede nur sichergestellt werden, wenn die ganze Region einbezogen werde. Bildt leitete zusammen mit dem zweiten UN-Sondergesandten Eduard Kukan ein eintägiges Arbeitstreffen zahlreicher Organisationen über die notwendigen internationalen Aktivitäten nach einem Ende des Kosovo-Konflikts.

Nach Angaben Bildts gleicht das Kosovo einem „verwüsteten Ödland“. „Das Schlimmste haben wir vielleicht noch nicht gesehen“, sagte er. Vordringlich sei die Hilfe für die leidenden Menschen im Kosovo und die Organisierung der Rückkehr der Flüchtlinge. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) rechnet mit der Rückkehr von bis zu einer halben Million Kosovo-Flüchtlingen bis zum September.

Wenn der internationale Friedensplan erfolgreich umgesetzt werde, würden nach derzeitigen Schätzungen 400.000 bis 500.000 Flüchtlinge vor allem aus Makedonien, Albanien und Montenegro in ihre Heimat zurückkehren, sagte der UNHCR-Beauftragte für den Balkan, Dennis McNamara. „Das wird kompliziert, das wird ein Chaos werden, und gefährlich wird es auch sein, aber es ist machbar“, äußerte sich McNamara zuversichtlich. Die UNO sei diesmal auf eine Massenbewegung von Flüchtlingen vorbereitet, betonte er. Vorrangig werde das UNHCR zunächst den rund 500.000 Kosovo-Albanern helfen, die trotz der jugoslawischen Truppenpräsenz im Kosovo ausgeharrt hätten. Einen genauen Zeitplan gebe es zwar noch nicht, aber das Flüchtlingshilfswerk rechne damit, daß die Rückkehrbewegung drei bis vier Wochen nach Aushandlung eines politischen Friedensabkommens einsetzen könne.

Der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks, Kris Janowski, sagte gestern: „Jeder Tag und jede Stunde, in der serbisches Militär und Paramilitär im Kosovo präsent sind, bedeutet mehr Zerstörung und mehr Gewalt“, warnte er. Mit Nachdruck wies der Sprecher Forderungen Belgrads zurück, bei einer Rückkehr der Flüchtlinge Grenzkontrollen auszuüben. Die jugoslawischen Behörden hätten eine Kampagne von „Gewalt und Bürokratie“ gegenüber den Kosovo-Albanern organisiert, um sie zu vertreiben und ihrer offiziellen Dokumente zu berauben. „Sie haben das Recht verloren, entscheiden zu dürfen, wer zurückkehrt und wer nicht.“

Der OSZE-Vorsitzende und norwegische Außenminister Knut Vollebaek sagte am Dienstag in New York UN-Generalsekretär Kofi Annan zu, die Organisation wolle an der Wiederherstellung der zivilen Infrastruktur in der serbischen Provinz mitwirken. Als mögliche Aufgaben nannte Vollebaek die Erneuerung des Justizsystems, den Wiederaufbau der Kommunalverwaltung und die zügige Vorbereitung von freien Wahlen.

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) startete derweil in Albanien Sommerschulen für 150.000 Kinder. Der Unterricht finde in 50 Zeltschulen und in 180 öffentlichen Schulgebäuden statt, teilte Unicef am Dienstag in Bonn mit. Dafür würden 4.000 Lehrer aus dem Kosovo und Albanien eingesetzt. Die meisten Kinder aus dem Kosovo konnten Unicef zufolge aufgrund des Konflikts seit einem Jahr nicht mehr zum Unterricht gehen.