„Das ist doch voll daneben“

■ St. Paulis verletzter Torwart Klaus Thomforde tüftelt verbissen an seinem Comeback

Das große Grübeln ist seine Sache nicht: „Ein Fußballprofi muß sehen, daß er nach einer schweren Verletzung schnell wieder auf die Beine kommt“, lautet derzeit Klaus Thomfordes lapidarer Kommentar auf Fragen nach einem möglichen Karriereende. Anlässe, auf trübe Gedanken zu kommen, gab es für den Torwart des FC St. Pauli in dieser Saison dennoch en masse. Es war der 13. Februar, als er im Training mit Verteidiger Holger Stanislawski zusammenrasselte und am Boden liegen blieb. Diagnose: Kreuzbandriß.

Für manch einen Sportler bedeutete das schon das Karriereaus, doch auf solch düstere Denkspielchen möchte sich der 34jährige Torsteher gar nicht erst einlassen: „Ein Karriereende ist für mich kein Thema.“ Allenfalls langfristig plane er seine Zukunft jenseits des aktiven Sportler-Daseins. „Ich habe ja die A-Lizenz. Fußballtrainer, das wäre schon eine reizvolle Möglichkeit“, verrät der Torwart. Ironie des Schicksals: Bereits kurz nach seiner Verletzung kamen die ersten Anfragen coachsuchender Amateurklubs, „aber das ist noch zu früh für mich“.

Lieber tüftelt der eifrige Profi im Rehazentrum Harburg an seinem Comeback. Krankengymnastik und Arzttermine prägen den Alltag des Kultkeepers. Ein harter Happen für den erfolgsverwöhnten Torwart. „Wenn du vorher jede Woche im Rampenlicht stehst und auf einmal fast in der Versenkung verschwindest, ist das schon bitter“, räumt Thomforde ein.

Daß er nach der Verletzung mehr Zeit für die Familie habe, sei daher nur ein schwacher Trost. „Auch als verletzter Profi baust du einen enormen psychischen Druck auf. Nur kannst du den nicht auf dem Platz ausleben. Diesen Druck trägst du einfach in die Familie rein“, berichtet Thomforde. Besonders bitter: An einen Trainingseinstieg ist für ihn derzeit nicht zu denken.

Doch trotz der Verletzung kann der Pauli-Keeper seiner Situation auch positive Seiten abgewinnen: „Besonders die Unterstützung des Vereins war für mich sehr wichtig.“ Vor allem die Vertagsverlängerung kurz nach seiner Verletzung habe gezeigt, „daß man hier noch mit mir rechnet“. Das möchte er seinem Klub danken: „Mein Ziel bleibt es, zum Trainingsbeginn am 12. Juli wieder voll einzusteigen“, hofft er und schränkt postwendend ein, „auch wenn das zur Zeit wohl eher ein Wunschtraum ist.“ Zeitdruck von Seiten des Vereins gibt es für das „Tier im Tor“ jedenfalls nicht. „Der Klaus soll erstmal in aller Ruhe wieder fit werden“, erklärte Pauli-Coach Willi Reimann.

Sollte sich Thomfordes „Wunschtraum“ von der hurtigen Genesung jedoch bewahrheiten, dürfte Willi Reimann bald vor einem Dilemma stehen. Denn Paulis Zweitkeeper Carsten Wehlmann fing bisher fast jeden Ball souverän vor der Torlinie und avancierte obendrein auch noch binnen kürzester Frist zum Publikumsliebling – „Carsten Wehlmann, Fußballgott“ schallt es seither bei jeder mehr oder minder gelungenen Aktion des Torwarts übers Millerntor. Weiteres Plus für Wehlmann: Er ist einfach schlappe neun Jahre jünger als Thomforde.

Eine triumphale Rückkehr als Nummer Eins scheint somit verbaut. Doch Thomforde wird auch nicht klaglos wie einst zu Volker Ippigs Zeiten auf der Bank kauern. Schließlich ballt er schon seit fast 16 Jahren für St. Pauli nach jedem gehaltenen Ball die Fäuste.

Das „Tier im Tor“ selbst reagiert auf die Frage nach seiner neuen Konkurrenz äußerst unwirsch: „Das ist doch voll daneben. Ich bin zur Zeit überhaupt keine Konkurrenz für den Carsten.“ Erst nach erfolgreicher Genesung könne das ein Thema werden. „Bis dahin bin ich für Carsten Wehlmann genauso wenig ein Rivale wie Ollie Kahn“, sinniert Thomforde. Das zu ändern, daran werkelt der Kult-Keeper weiterhin verbissen. Matthias Anbuhl