Sauberes Signal

Abschied vom Atomstrom: Umweltorganisation Greenpeace startet Modellprojekt für alle, die auf Öko-Strom umsteigen wollen  ■ Von Sven-Michael Veit

Die Langmut hat ein Ende: „Auf den Ausstieg der rot-grünen Regierung aus der Atomkraft können wir noch lange warten“, glaubt Sven Teske. Greenpeace bringt diese Geduld nicht auf. Gestern verkündete der Atom-Campaigner der Umweltschutzorganisation deshalb die zweite Phase der „Aktion Stromwechsel“. Ab 1. Juli werden in Hamburg die Büros der 120 MitarbeiterInnen am Fischmarkt und das Aktionsmittel-Lager im Freihafen zu 100 Prozent mit „sauberem Strom“ beliefert, ab Januar 2000 sollen alle VerbraucherInnen „Tschüss Atomkraft“ sagen können.

In einer mehrmonatigen Testphase will Greenpeace alle Anfangsprobleme lösen und „ein alltagstaugliches“ Stomversorgungs-Modell in der Praxis prüfen. Ziel sei es, zum Jahresende allen, die von Atomstrom auf Grünen Strom umsteigen wollen, ein bundesweit gültiges Angebot vorlegen zu können. „Das ist ein praktischer Schritt zum Atomausstieg“, sagt Teske, „denn mit einer ausreichenden Verbrauchermacht läßt sich der Umbau der Energiewirtschaft einleiten.“

Ab nächsten Monat wird Greenpeace elektrische Energie ausschließlich von der Hamburger Firma Ökostrom, dem Neue Energie Verbund (NEVAG) in Wiesbaden sowie den Stadtwerken Schwäbisch Hall beziehen. Diese drei Anbieter wurden in einer bundesweiten Ausschreibung „mit klaren politischen und ökologischen Kriterien“ ermittelt. Die Stadtwerke Schwäbisch Hall produzieren Strom und Heizenergie in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Ökostrom liefert regenerativen Strom aus Solaranlagen und dem Windpark in Francop.

Die NEVAG wird bei der geplanten bundesweiten Ausdehnung zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Quellen liefern. Der Preis pro Kilowattstunde (kwh) wird bei 35 Pfennigen liegen. „Bisher zahlen wir 28 Pfennige pro Kilowattstunde für die Büros und 42 Pfennige für das Lager“, rechnet Teske vor, daß „sauberer Strom“ keineswegs teurer sein muß als Strom aus Atomkraftwerken.

Ein wesentliches Problem ist die Gebühr, die von Energiekonzernen wie den Hamburgischen Electricitätswerken für die Durchleitung des Alternativstroms durch ihre Netze erhoben wird. Diese liegt nach Greenpeace-Angaben zur Zeit bei etwa 10 Pfennigen/kwh und werde „bewußt hoch gehalten, um den sauberen Strom zu verteuern“.

Ziel der „Aktion Stromwechsel“ ist es deshalb auch, „diese Wettbewerbs-Blockade zu durchbrechen“, so Teske. Damit nicht jeder Verbraucher in Einzelverhandlungen mit seinem Strom-Monopolisten treten muß, will nun Greenpeace dies modellhaft vormachen und zum nächsten Jahr allen Interessenten verbindliche Preise, Musterverträge und Öko-Garantie anbieten.

Bereits etwa 60.000 Interessenten haben sich bei den Umweltschützern in der Werbephase für die Wechselaktion gemeldet. Wenn mittelfristig „noch eine oder besser gleich zwei Nullen dazukommen“, hofft Teske, „werden die Atomkonzerne ihre Produktion drosseln oder gar stoppen müssen“.

Und Greenpeace habe, in aller Bescheidenheit, „das Signal zum Stromwechsel“ gegeben.