... da waren's nur noch zwei

■ Mißhandlung des Journalisten Oliver Neß: Hamburger Justiz hat arge Probleme, Polizeibeamte anzuklagen Von Magda Schneider

Das Landgericht Hamburg möchte nur zwei der Polizisten, die im vorigen Jahr an der Mißhandlung des Journalisten Oliver Neß während der Kundgebung des österreichischen Rechtsaußen Jörg Haider beteiligt waren, wegen Körperverletzung im Amt vor den Kadi stellen. Die Anklage gegen Ralf M. ließ das Gericht nicht zu – ein „hinreichender Tatverdacht“ sei nicht gegeben, ließ die Gerichtspressestelle gestern verlauten. Ralf M. habe „davon ausgehen können, daß er an einer rechtmäßigen polizeilichen Maßnahme“ mitgewirkt habe. Die Staatsanwaltschaft hat sofortige Beschwerde eingelegt.

Der als polizeikritisch bekannte Reporter Oliver Neß war am 30. Mai 1994 für einen Rundfunksender auf dem Gänsemarkt, als er nach eigenen Angaben von Zivilbeamten des Einsatzzugs Mitte angesprochen wurde: „Und du paß' heute auf.“ Wenig später habe er, so Neß, von dem Zivilfahnder Andreas V. einen Faustschlag ins Gesicht bekommen, bevor eine Gruppe „Zivis“ auf ihn einprügelte. Kaum daß er diesem Kessel entkommen war, wurde Neß erneut von Andreas V. angegriffen und zu Boden geworfen.

Sekunden später warf sich dann der uniformierte Ralf M. auf den umhertaumelnden Journalisten, nahm ihn von hinten in den „Todesgriff“ – ein Polizeischwitzkasten, der nach einem Todesfall verboten ist – und riß ihn erneut zu Boden. Nun traten die Uniformierten Oliver H. und Olaf A. auf den Plan, die ihrerseits den am Boden liegenden Neß traktierten, während Ralf M. sich abwandte. Der Journalist erlitt schwere Verletzungen – unter anderem einen doppelten Bänderriß.

Getreu dem Muster: „Die letzten beißen die Hunde“ sollen nun nur Oliver H. und Olaf N. angeklagt werden. Schon die Staatsanwaltschaft hatte die Anklage gegen Andreas V. und einen weiteren Polizisten verworfen, weil angeblich kein Vergehen vorläge. Das Landgericht stützt sich nun ausschließlich auf die Auswertung eines lückenhaften Polizeivideos und reduzierte die Anklage um einen weiteren Täter. „Die Angaben des angeschuldigten Ralf M., wonach er einen Kollegen bei der Ingewahrsamnahme eines Störers habe unterstützen wollen, hätten sich durch die vorliegenden Ermittlungs-ergebnisse nicht widerlegen lassen.“ Auch sei die von Ralf M. „angewandte Festnahmetechnik“ „nicht zu beanstanden“, weil „die Gesamtsituation schnelles und sicheren Erfolg versprechendes Handeln verlangt habe“.

Ralf M. habe davon ausgehen müssen, daß die Polizeiaktion gegen Oliver Neß gerechtfertigt gewesen sei, schließlich habe sein Auftrag „Unterstützung ziviler Beamter bei der Festnahme von Stören“ gelautet. „Der Irrtum über die Rechtmäßigkeit des Vorgehens seines Kollegen sei dem Angeschuldigten nicht anzulasten.“

„Die reden offensichtlich von einer ganz anderen Veranstaltung“, kommentierte ein Augenzeuge des Überfalls die vierseitige Landgerichtsbegründung. Denn übrig in der Anklageserie bleiben zwei junge Bereitschaftspolizisten, die zwar an der Mißhandlung Neß' beteiligt waren, aber nicht zu den Initiatoren gehörten. Sie ließen nämlich den Journalisten nach Intervention von Kollegen sofort los.