Durchfallfarbene Feierabendkünstler

■ Proll, Fußball, Trash: das Spaß-Quintett Hrubesch Youth präsentiert sein Debut

Der Zusammenbruch des Ostblocks hatte viele unschöne Folgen. Für ein Tonträgerproduktionswerk in Tschechien bedeutete der Kontakt mit der Marktwirtschaft aber lediglich einen Wechsel der Parameter des Terrors. Die neugewonnene Freiheit geht für den – gerade im westlichen Maßstab – sehr günstig produzierenden Betrieb mit täglichen Kulturschocks einher. Denn seit der offene Warenaustausch möglich ist, fallen aus allen Ecken dieser satten Republik Feierabendkünstler in Tschechien ein, um ihre vermeintlich dokumentationswürdigen Arbeiten dort zu vervielfältigen.

So auch ein örtliches Spaßkollektiv, das sich gleichermaßen vor dem markanten Hamburger Fußballcharakter Horst Hrubesch wie vor Sonic Youth, den Erfindern des geschmackvollen Lärms verneigt. Hrubesch Youth gelingt es, diese bis dato berührungslosen Kulturäußerungen zu verbinden. Damit gehen sie in die Offensive und tun das Naheliegendste: den allgegenwärtigen Krach selbst in die Hand nehmen und ihn durch programmatisch ausufernde Kneipenzerstörungen wälzen. Diese in längeren Abständen immer wieder reizvolle Praxis haben sie nun, unter Inkaufnahme unvermeidlicher Verluste, auf Tonträger gebannt.

Das Dahlin Orgel benannte – den von standardisierter Kultur Gelangweilten zu empfehlende Dokument – ist notwendigerweise das Ende der Band (Revivals ausgenommen). Die Musik auf der bleischweren, durchfallfarbenen LP ist das dynamisch-zügellose Gegenteil von HiFi. Ein Alptraum, wie auf dem Ende der ersten Seite etwas selbstzufrieden verkündet wird, ist sie – Jahre nach Grindcore, Noise und Eugene Chadbourne – allerdings nicht. Höchstens für die gequälten Überlebenden des Sozialismus, denen das Trash-Quintett auf dem Rücken ihres Covers zu allem Überfluß noch ein Stalin-Foto mitgibt. Anläßlich des Wahnsinn verstärkenden Zusammentreffens dieser bemerkenswerten Veröffentlichung und der unheiligen Weihnachtszeit bittet das mittlerweile seriös und bürgerlich gewordene Quintett zum letzten Mal ins Stammlokal, um dort mit Gleichgesinnten Teile der Einrichtung zu beschädigen. Denn sie wissen: bald schon droht ihnen der Lebensabschnitt, wo sich die eigene Jugend nur unter Schmerz und Peinlichkeit ins Freie prügeln läßt.

Holger in't Veld

Do, 28. 12., Heinz Karmers Tanzcafé, 22 Uhr