Wie immer, aber anders

■ Von Muskelspiel bis Erdbeerbowle: die Sylvester-Tänze im Überblick

„Was tun?“, wird man sich auch dieses Jahr fragen, wenn der Käse hartnäckig in den Darmwindungen klebt, der Cognac noch nicht wirkt und RTL bei seiner Sylvester-Tour entlang der Zeitzonen etwa in Island, also gefährlich nah, angekommen sein wird. Man könnte ja mal etwas besonderes anstellen oder doch same procedure as every year, um nicht gleich zu Anfang des Jahres aus der Bahn geworfen zu werden?

Garantiert keine Überraschungen wird man beim X Over 96-Spektakel in der Markthalle erleben. Beim Gütersloher Crossover von Thumb werden die Muskeln spielen und der Baß das Tempo angeben. Unterstützt werden sie von einer ganzen Horde aus dem Land des Kreuzübers wie Krombacher MC, die sich rappend aus dem Mutterland, so ihr Plattentitel, schreien.

Beständige Qualität wird gewiß im Front geboten, wenn Boris Dlugosch sich von Leeland Usher am Mikrofon begleiten läßt und auch mal alte Disco-Kamellen anstimmt. Im Gaswerk wird das, was von Slade und Sweet übriggeblieben ist, dem Scheintod in der großen Halle (20 Uhr) entgegengröhlen, während in der kleinen Halle die letzte Goa-Party des Jahres stattfindet. Nur was für Soziologen.

OK Magic und Kampnagel kommen auch dieses Jahr wieder zu einer unheiligen Allianz zusammen und zapfen dafür das kreative Potential der hiesigen Soulmeister von Soulciety an. Neben Monkey Business aus Berlin und den Kieler Newcomern Nicomatics werden die Allstars des Labels aufspielen. Wenn hier längst gefegt wird, werden im Molotow immer noch Sekt und Berliner bereitgestellt. In der wiederhergerichteten Flora werden wir bis zuletzt tief im Dub-Reggae waten, wenn die Silly Walks und Dub Me Ruff Soundsysteme zugunsten von FSK rare Dubplates und Sendegeräusche auswerfen.

Wer aber gleich wissen will, was das nächste Jahr bringt, der kann sich in der Baluga Bar aus der Hand lesen lassen, wenn er sich nicht bei der House-Beschallung folgenschwer verhört. Wer nun nach diesem Überblick immer noch zu Hause bleiben will, der kann bei Hamburgs freundlichstem Spaßtyrann auf N3 (1.35 Uhr) seine Jugend mit deutschem Schlager beweinen. Denn wie sagt Bernd Begemann am Ende der sechsstündigen Fernseh-Show: „Der deutsche Schlager ist zwar tot, aber er ist ein Teil von Euch.“ Auch im nächsten Jahr ein wahres Wort.

Volker Marquardt