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: Die Sonne, die uns täuscht

Osteuropäische Regisseure stehen derweil bei den Jurys, die die wichtigsten Preise verleihen, ganz hoch im Kurs. Während Krzysztof Kieslowski sich jüngst anschickte, mit seiner Farbentrilogie Preis für Preis die großen europäischen Festivals zu erobern und erst in Cannes gestoppt wurde, können sich die letzten beiden Filme von Nikita Michalkow vor Auszeichnungen ebenfalls kaum retten. Besonders groß war die Entschlossenheit der Jury im Fall von Urga, der zwei Jahre nach seinem Erscheinen noch mit dem „Felix“ bedacht wurde. Und jetzt treffen wir auf den oscargekrönten (für den besten ausländische Film) und cannesgeadelten Die Sonne die uns täuscht.

Ein russischer Sommer im Jahre 1936. Als wäre der Tag nicht heiß genug, schwitzt Kotow (Michalkow), Oberst der Roten Armee und Revolutionsheld, in der Sauna. Dort erreicht ihn die Nachricht, daß ein Panzermanöver die örtlichen Getreidefelder zu zerstören droht. Fluchend – es ist sein freier Tag – und kaum richtig bekleidet eilt er zum Schauplatz, um das Schlimmste zu verhindern. Und was für eine Wirkung zeitigt sein Auftreten: bewunderungsstarre Gesichter, Tränen der Rührung und ein ehrfurchtsvoll hingehauchtes „Genosse Kotov“. So sieht ein charismatischer Held aus.

Im Folgenden durchlebt Kotov einen Reigen von „Liebe und Betrug, Eifersucht und Verrat“ (Presseheft). Das ist zum Teil sehr schön anzuschauen und bisweilen bemerkenswert in der Darstellung feinster Gefühlsnuancen. Interessant ist aber vor allem die Figur Mitjas, des ehemaligen Liebhabers von Kotovs Frau, der nach langem Aufenthalt in Paris irgendwann unvermittelt in das ländliche Idyll einbricht. Kultiviert und gebildet tritt er auf, deutlich Vertreter der westlichen Kultur. Und ausgerechnet er entpuppt sich als verschlagen und falsch und muß den Verräter abgeben, vor dem sich Kotov als aufrechter Patriot abhebt. Ein tragisches Schicksal allerdings wird schließlich beiden zugestanden.

Die inszenatorischen Qualitäten Michalkows sind dabei unbestritten, aber für den Erfolg dürften eher andere Gründe ausschlaggebend sein. Traditionalismus und Modernitätsskepsis, Heldenverehrung und eine milde Sentimentalität sind Wertvorstellungen, die vermutlich deshalb nicht zu Argwohn führen, weil sie bequem unter den großen Hut der russischen Volksseele zu bringen sind. Und diese Einbettung des Konservativen ins Romantische macht Die Sonne die uns täuscht so zwiespältig.

Bei der Oscarverleihung kam Michalkow mit seiner kleinen Tochter (die auch im Film seine Tochter spielt) auf die Bühne. Vor Freude überwältigt, stemmte er sie mit einem Arm hoch und legte sie sich über die Schulter. Eine rührende Geste. Zugleich aber, kaum merklich, eine Stärke demonstrierende Heldenpose. Sven Sonne