piwik no script img

Niederlande in Not

■ Salat ist gesund? Von wegen! Viele Sorten sind so hoch mit Nitrat belastet, daß sie zumindest in Deutschland gar nicht verkauft werden dürften

Die niederländischen Gemüsebauern befürchten „eine Katastrophe“, wenn die neue deutsche Nitratnorm für Salat nicht schnell durch eine europäische Regelung außer Kraft gesetzt wird. Sonst „sieht es schlecht für uns aus“, diktierte Arnold Sweep, Direktor des Zentralbüros für Obst- und Gemüseversteigerungen (CBT) in Zoetermeer bei Den Haag der Deutschen Presseagentur dpa in den Computer. Grund für den Kassandra-Ruf: Seit dem 1. November darf Kopfsalat, der in Deutschland verkauft wird, von November bis April nämlich nicht mehr wie bisher 4500, sondern „nur“ noch 3500 Milligramm Nitrat pro Kilogramm (mg/kg) enthalten. Nur 40 Prozent des niederländischen Wintersalats könnten die deutschen Anforderungen erfüllen, befürchtet Sweep.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, daß mensch nicht mehr als 3,7 mg Nitrat pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen sollte. Für Kinder ist damit Salat tabu, der nicht deutlich geringer belastet ist als erlaubt. Erwachsene, die 70 Kilogramm wiegen, hätten den WHO-Wert mit nur 74 Gramm Wintersalat ausgeschöpft.

Ein Kilo Salat sollte nicht mehr als 1000 mg Nitrat enthalten. Denn es kommt nicht nur durch Blattsalat auf den Speiseplan, sondern auch durch andere Gemüse, Fleisch, Wurst, Käse und Trinkwasser. Grünzeug, das über der 1000-mg-Grenze liegt, haben wir daher um eine Stufe abgewertet. Köpfe mit mehr als 2500 mg (das ist der Nitratgrenzwert für Kopfsalat im Sommerhalbjahr) waren „nicht empfehlenswert“. Von 19 Salaten, die ÖKO-TEST in den letzten Oktobertagen an Hamburger Marktständen sowie in Kaufhäusern und Supermärkten gekauft hat, waren das sieben. Erwartungsgemäß gehörte Kopfsalat zu den am meisten belasteten Sorten. Die Hälfte hatte mehr Nitrat als der zum Zeitpunkt des Einkaufs geltende Sommergrenzwert festlegt. Feldsalat aus dem Freiland schnitt besser ab.

Nitrat selbst ist kein Gift. Alle Pflanzen brauchen diesen Nährstoff, um wachsen zu können. Der Gehalt wird jedoch durch Licht und Düngung beeinflußt. Problematisch wird Nitrat in Form von giftigem Nitrit, das auf dem Salat, im Mund oder im Verdauungstrakt von Mikroorganismen gebildet wird. Aus Nitrit und Eiweiß können krebserregende Nitrosamine entstehen.

Wo wirtschaftliche Interessen im Spiel sind, werden Wissenschaftler bemüht, das Problem zu verharmlosen. Der Holland Report wagte sich sogar mit der Behauptung „Nitrat ist gesund“ hervor. Dr. Nigel Benjamin von der Aberdeen University Medical School, die die Studie durchgeführt hat, erklärt das „gesunde“ Nitrat auf Nachfrage so: Nitrit wird im Körper zum Teil in Stickoxid umgewandelt. Schädliche Bakterien werden im Mund und Magen dadurch abgetötet, was wiederum den Nitratesser vor infektiösen Lebensmittelvergiftungen und Karies schütze. Allerdings sind Stickoxide aggressive Zellgifte. Sie greifen Eiweißverbindungen an und töten auch Mikroorganismen. Die Behauptung, daß diese Schadstoffe gesund sein sollen, ist dreist.

Am besten ist es, während der kalten Jahreszeit ganz auf Blattsalat zu verzichten. Statt dessen kann mensch seinen Vitaminbedarf mit nitratarmem Saison- oder Lager-Gemüse aus biologischem Anbau decken, beispielsweise mit Kartoffeln, Rosenkohl und Zwiebeln. Mittlere Nitratgehalte haben Rotkohl, Karotten, Kohlrabi, Sellerie und Lauch. Wenn nitratreiche Sorten auf den Teller kommen, sollten sie mit nitratarmen gemischt werden. ÖTM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen