Zeugen gesucht

■ Polizeiskandal: Ortstermin im Hafen wegen „Scheinhinrichtung“

Lothar Bergmann weiß es ganz genau. Der Chef der Hamburger Polizeigewerkschaft hält Jael Boateng „ungeachtet der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen“ für „unglaubwürdig“. Die von dem Ghanaer behauptete „Scheinhinrichtung“ sei ein „absurder Vorwurf“. Bergmann: „Es gibt offenbar Kreise, die über jedes Stöckchen springen, wenn es nur gegen die Polizei gehalten wird“.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft und die „Dienststelle Interne Ermittlungen“ (DIE) halten es hingegen mit dem Brauch, daß erst ermittelt, dann geurteilt werden sollte. Boateng hatte am Mittwoch ausgesagt, von zwei Beamten der Revierwache 11 am Freihafen sexuell mißhandelt und mit Erschießung bedroht worden zu sein. Nachdem er am Donnerstag erneut sechseinhalb Stunden vernommen worden war , mußte er gestern zum Ortstermin erscheinen. Am Eurokai identifizierte der 28jährige eine Telefonzelle, aus der er nach der Mißhandlung ein Taxi bestellt haben will. Doch Zeugen für den Vorgang fehlen noch: Weder die Hafenarbeiter, die Boateng unmittelbar nach den polizeilichen Übergriffen getroffen haben will, noch der Taxifahrer haben sich bislang gemeldet.

Widersprüche gibt es auch über die Tatzeit. Die Staatsanwaltschaft geht nach der Vernehmung Boatengs davon aus, daß die Mißhandlung nur zwischen dem 24. Februar und dem 8. März 1995 stattgefunden haben kann. Dagegen berichtete Anthony Rau vom „Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte“, daß der Ghanaer bereits vor Bekanntwerden des „Scheinhinrichtungs“-Vorwurfs durch einen am 2. März ausgestrahlten Panorama-Beitrag einem Freund von den Vorfällen erzählt hätte. Diese hätten bereits Wochen zurückgelegen und könnten auf Ende Januar/Anfang Februar datiert werden.

Marco Carini