Geradlinig in die Vergangenheit

■ Die Jahresbilanz des Naturschutzbundes Hamburg fiel wenig ermutigend aus Von Stefan Kreft

Auch im Jahre 1995 wurde in Hamburg wieder kräftig Boden versiegelt: „62 Mal ist in den vergangenen 20 Jahren die Außenalster plattgemacht worden“ – mit diesem Bild stellte gestern Hans-Joachim Spitzenberger, Geschäftsführer des Naturschutzbundes Hamburg (Nabu), den kurzsichtigen Flächenverbrauch in Hamburg an den Pranger.

In seiner Jahresbilanz drückte der Nabu seine „maßlose Enttäuschung“ über das neue Hamburger Landschaftsprogramm aus. Und hält dieses, von der Stadtentwicklungsbehörde gerade erst im Juni vorgelegte Papier für schon wieder gefährdet: Denn volle 14 (!) Jahre mußten vergehen, um der gesetzlichen Forderung des hamburgischen Naturschutzgesetzes nach Aufstellung eines solchen Landschaftsprogramms nachzukommen. Zudem sei der 95er Flächennutzungsplan „allmächtig“ gegenüber seinem „grünen Gegenstück“. Denn dieses basiert auf dem überholten Flächennutzungsplan von vor 22 (!!) Jahren.

Am Beispiel der Auseinandersetzungen um Altenwerder, in welcher Nabu und GAL jetzt EU-Naturschutzrecht zur Geltung bringen wollen (taz berichtete gestern), und um den Höltigbaum machte Spitzenberger deutlich, daß das Hamburger Naturschutzrecht dringend revisionsbedürftig ist: Anders als im Bundesrecht werde den Naturschutzverbänden in Hamburg kein Recht zur Verbandsklage eingeräumt. „Planungen der Behörden und fehlerhafte Verwaltungsentscheidungen, die zu Lasten der Natur gehen, müssen aber gerichtlich überprüfbar sein“, forderte Spitzenberger.

Zweites Reizthema für die Naturschützer war auch in diesem Jahr die Hamburger Verkehrspolitik. Nabu-Verkehrsexperte Manfred Prügel besteht auf einer Alternative zum Bau des Magnetgleiters Transrapid: Der Ausbau der bestehenden Gleise zwischen Hamburg und Berlin für den ICE verbinde Kostengünstigkeit mit Naturverträglichkeit bei vergleichbaren Reisezeiten. Zur Abführung innerstädtischer Verstopfungen setzt Prügel auf einen nördlichen Schnellbahnring anstelle der „Stummellösung Flughafen-S-Bahn“.

Und: „Der Kampf um die Elbe geht weiter“. Daß der Fluß im Aufschwung nicht durch weiteren Ausbau wieder zum offenen Abflußrohr verkommt, hat Bundesverkehrsminister Wissmann dem Nabu bis auf weiteres versichert: Bis ein unabhängiges Gutachten zu den Ausbauvorhaben vorläge, wolle Wissmann „alles unterlassen, was die Naturschutzverbände provozieren könnte“, kann Prügel hier vorerst zufrieden sein.

Als Fazit zum Ende des Jahres bleibt den Naturschützern nur bitterer Sarkasmus. Spitzenberger bescheinigt dem Hamburger Senat „Konsequenz und Geradlinigkeit in der Zukunftsplanung für die Stadt – allerdings nach rückwärts gerichtet“.