Von kontinentaler Stimmung keine Spur

In Hamburg interessiert sich kaum jemand für die Europawahl am Sonntag  ■ Von Oliver Schirg

Im Gespräch unter vier Augen bewerten Politiker aller Parteien ihren Hamburger Europawahlkampf ähnlich. Der Urnengang an diesem Sonntag interessiert in der Hansestadt kaum jemanden. Macht überhaupt mal einer an den Wahlständen Halt, dann dreht sich die Diskussion rasch um die Neuregelungen bei den 630-Mark-Jobs oder um die Scheinselbständigkeit. Wenn die Hamburger am 13. Mai zwischen 8 und 21 Uhr ihre Stimme abgeben, werden sich die meisten von ihnen von innenpolitischen Fragen leiten lassen.

Mehr als 1,21 Millionen Wahlberechtigte sind in Hamburg aufgerufen, unter 20 Parteien zu entscheiden. Allerdings können sich nur die SpitzenkandidatInnen von SPD und CDU, Christa Randzio-Plath und Georg Jarzembowski, Hoffnung machen, künftig im Europaparlament die Interessen der Hansestadt vertreten zu können. Während Randzio-Plath auf Platz fünf des SPD-Bundesliste bereits so gut wie in Brüssel ist, muß Jarzembowski zittern.

Vor fünf Jahren hatte Jarzembowski erst fast zwölf Stunden nach der Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Endergebnisses erfahren, daß er als 36. von 39 CDU-Parlamentariern ins Europaparlament einziehen wird. Dieses Jahr wird es noch knapper. Da wegen der CSU bei der Union lediglich Landeslisten existieren, kommt es auf die Wahlbeteiligung in den einzelnen Bundesländern an. Nun sind in sieben Bundesländern am Sonntag zugleich Kommunalwahlen. Experten rechnen deshalb dort mit einer höheren Wahlbeteiligung als in anderen Ländern. Die Folge: Für Jarzembowski könnte es dieses Mal nicht reichen.

Derartige Sorgen plagen die Spitzenkandidaten von FDP und Grün-Alternativer Liste (GAL), Maria Luisa Warburg und Peter Schwanewilms, nicht. Warburg, die auf Platz 15 der FDP-Liste steht, hätte nicht einmal eine Chance, wenn die Liberalen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen würden, was nach dem schwachen Abschneiden bei der Bremenwahl am vergangenen Wochenende eher nicht erwartet wird. Auch Schwanewilms, der den chancenlosen letzten Platz der Grünen-Liste einnimmt, dürfte vielen Hamburger kaum bekannt sein: Die Wahlplakate seiner Partei zeigen entweder Spitzenkandidatin Heide Rühle oder Bundesaußenminister Joschka Fischer.

Etwas besonderes werden die Europawahlen für rund 2000 Hamburger. In zwei Wahlbezirken werden erstmals elektronische Stimmzählgeräte eingesetzt. Die Wähler erhalten keine Stimmzettel, sondern müssen per Knopfdruck ihre Wahlentscheidung einem Computer anvertrauen. Wem das suspekt sei, der könne – dann aber in einem anderen Wahllokal – wie gehabt seinen Stimmzettel ausfüllen und in die Wahlurne werfen, versichert Landeswahlleiter Wolfgang Prill.