Interesse an „Jekyll & Hyde“ bröckelt

■ Die Produzenten des Musicals am Bremer Richtweg haben offenbar Probleme, das Haus zu füllen / Ein Ex-Mitarbeiter des Call-Centers: „Resonanz ging nach Premiere schlagartig runter“

Seit Februar ist Bremen eine Musicalstadt. Doch schon vier Monate nach der Premiere tun sich an der Hochglanzfassade von „Jekyll & Hyde“ erste Risse auf. „Die haben richtig Probleme, die Karten zu verkaufen“, sagt ein Ex-Mitarbeiter des Call-Centers für den Telefonvertrieb. Auch ein leitender Mitarbeiter aus der Produktion räumt ein: „Wir müssen uns jetzt tüchtig anstrengen.“ Er nennt das nachlassende Interesse Sommerloch. Damit hätten auch andere Theater Probleme. Doch das sieht der Ex-Telefonverkäufer anders.

Noch vor wenigen Wochen warb die Neue Metropol, die das Musical am Richtweg produziert, mit einer Auslastung von 80 Prozent. Auch als der 100.000 Besucher im Musicaltheater begrüßt wurde, ging die Rechnung auf: 100.000 geteilt durch die Anzahl der Vorstellungen ergab ziemlich genau eine Quote von 80 Prozent. „In dieser Branche wird gelogen wie sonst nirgends“, weiß dagegen der Ex-Kartenverkäufer. „Von Oktober bis kurz nach der Premiere war die Resonanz gut, aber danach ging das schlagartig runter. Erst hatten wir rund 5.000 Anrufe am Tag, später nur noch um die 40.“ Seinen Angaben zufolge wurden ihm und seinen zeitweise zwölf KollegInnen die echten Auslastungszahlen vorgelegt. „Wir sollten natürlich die schlecht ausgelasteten Vorstellungen verkaufen und durften dann auch die zweite Karte zum halben Preis anbieten.“ Doch bis Mai ließ die Nachfrage immer stärker nach.

Deshalb versucht die Neue Metropol auf anderem Weg, BesucherInnen in das Theater zu locken. Wie von Produzent Lutz Jarosch vor der Premiere angekündigt, erhalten große Bremer Firmen die zwischen 40 und 180 Mark teuren Tickets zu Sonderkonditionen. Selbst die MitarbeiterInnen des Bremer Theaters wurden zu ermäßigten Preisen eingeladen. Doch die haben dankend abgewunken.

Preisnachlässe sind in der Branche durchaus üblich. Denn nichts ist schädlicher fürs Renommee als das Gerücht: „Da geht keiner hin.“ Doch die wichtige Mundpropaganda bleibt in Bremen offenbar noch aus. Immerhin müssen am Richtweg pro Woche 12.000 Plätze im ersten Jahr zu mindestens 60 Prozent gefüllt werden. Dazu sollen jetzt auch die ChorsängerInnen in Bremen beitragen. Sie erhielten ein Rabattangebot von 25 Mark pro Karte. Und an die Lehrerpersonalversammlung wurde das Theater für nur eine Mark vermietet.

„Durch die hohe Auslastung am Anfang wurde die Werbung vernachlässigt“, gibt der Produktionsmitarbeiter zu. „Wir müssen in den Ferienmonaten die Küste abgrasen“, ergänzt er in vielsagender Wortwahl. Doch ob dadurch die extra für das Musicaltheater angelegten, oft verwaisten Busparkplätze am Rembertikreisel alle benutzt werden, scheint fraglich. „Auf Kampagnen im Frühjahr kam kaum Resonanz“, weiß der Ex-Telefonist. In der Stadt macht sich schon mancher Gedanken über die Zeit nach „Jekyll & Hyde“. Das Theater, das mit 1.500 Plätzen größer als die Glocke und viel größer als die Spielstätte am Goetheplatz ist, verfügt über eine erstklassige technische Ausstattung. Und bei weitem nicht alles wird für die aktuelle Produktion gebraucht.

Aber vielleicht kommen ersehnte BustouristInnen doch noch, um das erste kulturwirtschaftliche Großprojekt im „neuen Bremen“ von innen zu sehen. Viele überregionale Busunternehmer haben „Jekyll & Hyde“ noch gar nicht im Programm. Einhelliges Echo: „Wir warten erstmal ab.“ ck