20 Milliarden auf einen Schlag

Die Renten sollen von den Nettolöhnen abgekoppelt werden. Zum Ausgleich ist eine Mindestrente geplant. Grüne fordert, Altersfaktor einzuführen  ■   Von Tina Stadlmayer

Berlin (taz) – Die Gerüchteküche um die geplanten Kürzungen bei den Renten brodelt weiter. Arbeitsminister Walter Riester, SPD, will nach Informationen des Handelsblattes die Renten in den kommenden zwei Jahren nur noch in dem Maß anheben, wie die Preise steigen. Aus Koalitionskreisen sickerte gestern durch, der Anstieg solle „möglichst“ etwas darüber liegen.

Bislang erhöhen sich die Renten so wie die durchschnittlichen Nettolöhne. Diese werden in den kommenden Jahren wegen der steuerlichen Entlastung der Familien voraussichtlich um vier Prozent steigen. Sollte sich der Anstieg der Altersbezüge an der Inflationsrate von rund einem Prozent orientieren, kann die Rentenversicherung in den kommenden zwei Jahren 20 Milliarden Mark sparen.

Die grüne Abgeordnete Thea Dückert sagte gegenüber der taz, nur die Familien mit Kindern, nicht aber die RentnerInnen sollten von dem geplanten Familienlastenausgleich profitieren. Darüber hinaus sei es notwendig, ähnlich wie es die Kohl-Regierung vorhatte, einen Altersfaktor in die Rentenversicherung einzuführen. Das heißt, die höheren Kosten, die auf die Rentenversicherung zukommen, weil es immer mehr alte Menschen gibt, werden auf RentnerInnen und BeitragszahlerInnen gleichermaßen umgelegt.

Um die Senkung des Rentenniveaus „sozial ausgewogen zu gestalten“ (Riester), soll möglicherweise eine Mindestrente geschaffen werden. Die Kosten dafür sollen durch Einsparungen bei der Hinterbliebenenrente ausgeglichen werden. Das würde vor allem Witwen betreffen, die neben einer eigenen Rente noch einen Teil der Rente des verstorbenen Ehepartners bekommen.

Auch der öffentliche Dienst muß sich auf Kürzungen einstellen. Der von der alten Bundesregierung eingeführte Eigenanteil der Beamten zur Sicherung ihrer Pensionen in Höhe von 0,2 Prozent der Bezüge soll deutlich aufgestockt werden. Außerdem werden die Pensionen voraussichtlich weniger erhöht und Zulagen gestrichen.

Bundesfinanzminister Eichel hatte von Riester verlangt, im kommenden Haushalt in seinem Ressort 13 Milliarden Mark zu kürzen. Neben der Rentenanpassung stehen die Beiträge des Bundes zur Sozialversicherung auf der Sparliste. Der Bund bezahlt bisher die Beiträge von Arbeitslosen für die Renten-, Kranken- und Pflegekasse auf Grundlage des letzten Bruttoentgelts. Künftig sollen das niedrigere Arbeitslosengeld oder die Arbeitslosenhilfe die Basis sein. So kann Riester vier Milliarden Mark im Jahr sparen. Die Arbeitslosen werden später jedoch niedrigere Renten erhalten.

„Sozialpolitischer Kahlschlag“, schimpfte der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, über die geplanten Kürzungen: „Rentner und Arbeitslose sollen wieder als Sparschweine der Nation herhalten.“

Für die Opposition sind die Meldungen über geplante Rentenkürzungen ein gefundenes Fressen. Während einer aktuellen Stunde im Bundestag führte Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm, CDU, seinen Nachfolger am Donnerstag abend vor. Riester plane eine „Willkür-Rente à la Honekker“: „Das ist Rentenpolitik nach Laune und Kassenlage.“