Geradewegs in die finale Hölle

■ Die Hamburger Blue Devils stehen im Finale des Eurobowl gegen Meister Braunschweig

Es war irgendwann im dritten Viertel, als der Gang zur Toilette unvermeidlich wurde. Die Hamburger Blue Devils führten im Volksparkstadion vor 11.800 begeisterten „Teufels-Anbetern“ mit 31:21 gegen die Legnano Frogs. Die ersten zweieinhalb Stunden der Football-Halbfinalpartie des Ford-Eurobowl XIII hatten ihren erwarteten Verlauf genommen.

Das sahen die beiden Fans auf dem Klo ähnlich. Sie beschäftigten sich bereits mit dem Endspiel: „Wäre wichtig, wenn die Braunschweiger das zweite Halbfinale gewinnen“, fanden sie. „Dann kommen zum Finale in zwei Wochen bestimmt 20.000.“ Er sei schon ganz heiser vom Singen und würde sich gleich sein siebtes Bier genehmigen, erklärte der eine. Ganz nach dem Geschmack seines WC-Gefährten: „Die Party ist heute wichtiger als das Spiel“, erwiderte dieser und stimmte alle Anwesenden mit einem beherzten „Go Devils go!“ auf den nächsten Touchdown ein.

So ist das beim aus den USA importierten Eierlaufen: Jeder feiert jeden und am meisten sich selbst. The show must go on! Selbst auf Toilette. Da überrascht es nicht, daß gerade in der Halbzeitpause des Super-Bowl – dem größten amerikanischen Sportereignis –jedes Jahr regelmäßig die Wasserversorgung zusammenbricht. Zu viele Fernsehzuschauer und auch Stadionbesucher tun gleichzeitig, was sie müssen.

Auch in Deutschland steigt das Interesse am Football mit seinem Drumherum ständig. Was auf den ersten Blick so aussieht, als würden sich 22 schwer gepanzerte Gladiatoren lediglich über den Haufen rennen, hat System. Es ist der Quarterback, in diesem Fall Devils-Paßgeber Dino Bucciol, der seine Mitspieler in den „Huddles“, den Kurzabsprachen auf dem Feld, souverän anweist. Der 29jährige Italo-Kanadier verteilte die eiförmige Pille an diesem Tag wieder so geschickt, daß Gäste-Head Coach Giacomelli Paolo schier verzweifelte: „Wir hatten keine Chance zu gewinnen.“ Später ergänzte er neidlos, eine derartige „Football-Euphorie“ in Italien gar nicht zu kennen. Und weiter: „Die Hamburger haben eines der besten Teams in Europa.“

Daß die Devils gegen die keineswegs schlechten und stets gefährlichen italienischen „Frösche“ hätten verlieren können, hatte keiner wirklich geglaubt. Nur ein einziges Mal beim zwischenzeitlichen 24:21 wurde es für die Gastgeber etwas enger. Doch Runningback Donte Womack sorgte mit einem 70-Yards-Touchdown-Lauf postwendend für die Entscheidung und das Highlight des Spiels. Das Höllenfeuer brannte lichterloh und ein sicherer 41:21-Sieg nicht mehr an.

„Wir haben das erste richtige Football-Spiel in diesem Jahr gesehen“, verteilte Chef-Teufel Axel Gernert folglich verbale Schulterklopfer in alle Richtungen und freute sich schon auf die klingelnde Vereinskasse am 26. Juni. Dann werden die Braunschweig Lions – gegen die Helsinki Roosters mit 21:14 siegreich – zum Eurobowl-Showdown im Volksparkstadion freigelassen. Oliver Lück