In der Tiefe der Suggestion

Majestätisch groovende Sängerin und Frauenrechtlerin aus Mali, die lieber befriedet als aufbringt: Beim Auftritt von Oumou Sangare im Pfefferberg tanzte und trommelte das Publikum auf der Bühne mit  ■   Von Waltraud Schwab

Oumou Sangare schenkt sich nichts, dem Publikum alles: ungebrochene Leidenschaft und großen Ernst, überschäumende Freude und absolute Konzentration, einen kritischen Blick auf sich selbst und einen ebensolchen auf die Gesellschaft, eine dunkle Stimme und treibende Rhythmen. In einem zwei Stunden dauernden ekstatischen Konzert brachte sie dies im Pfefferberg auf die Bühne. Mit jeder Bewegung, jedem Satz, jeder gestampften Bewegung tritt sie dabei mit dem Publikum und der sie unterstützenden Band in Kommunikation.

Die Musiker führen sie in die Tiefen ihrer suggestiven musikalischen Dialoge, die Mitsängerinnen und -tänzerinnen liefern eine gekonnte Show, die ihnen jedoch ihre Freiheiten läßt. Sinnliche, verausgabende Bewegungen, aber kein siamesisch anmutender Zwillingsdrill. Mal wird Nabintou Diakite, mal Alima Toure an die Extreme des trancenahen Tanzes geführt. „Trance“, eines der aktuelleren Schlagworte der Musikbranche, mag jedoch nur auf den Ursprung der Musik und der Tänze zutreffen.

Der 32jährigen Künstlerin aus Mali reicht Mitmachen. Wenn die Leute ihr zurufen, auf die Bühne kommen, tanzen, mittrommeln, dann hat sie etwas gegeben. Sie küßt die Krücke des Fans aus Guinea, der sie ihr auf die Bühne entgegenstreckt. Sie läßt ein kleines Mädchen – ihre Berliner Namensschwester, wie am Ende zu erfahren ist – auf die Bühne, wann und sooft dies es will.

Basidi Keita, der als Perkussionist Schwerstarbeit leistet, achtet nebenbei auf das Kind. Oumou Sangare ist lebendig, ist charmant, majestätisch, nie arrogant. Mit Grübchen in den Wangen schon beim Anflug eines Lächelns, eines Wortes, einer flirtenden Geste mit dem Publikum.

Oumou Sangare ist eine „Cantatrice“, keine Griotte. Eine also, die nicht per Geburt und Familientradition zur Sängerin wurde, sondern weil sie es so wollte. Und sie ist eine Kämpferin für die Rechte der Frau. Selbst wer die Texte ihrer Lieder, die sich subtil gegen Polygamie, gegen Zwangsheirat, gegen Ignoranz von Männern richten, nicht versteht, wird dies in ihren direkten Ansprachen an das Publikum erfahren.

Dabei ist sie eine Taktikerin der Sinne, die weiß, wie sie befriedet, nicht aufbringt. Sie singe für die Befreiung der Frauen, aber sie freue sich über die Männer, die es hören, könnten sie so doch ihre Ideen weitertragen. Dann läßt sie einen Mann ins Mikrofon rufen: „Vive la femme!“ Ganz Herrin des Geschehens, sofort auch: „Vive l'homme!“ Nichts kann entgleiten, auch das macht Sinn, denn „homme“ heißt Mann und Mensch zugleich.