Das Köpenicker Orchideenthema

 Umweltsenator Strieder vertreibt den brandenburgischen Fußballverein SV Müggelpark Gosen vom angestammten Platz auf Berliner Gebiet – aus Naturschutzgründen. Eine Köpenickiade    ■ Von Barbara Bollwahn de Paez Casanova

Was haben die Gosener Wiesen in Köpenick und die bayrischen Alpen gemeinsam? Beide stehen unter Naturschutz. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Denn während die Bayern stolz sind auf ihre geschützte Flora und Fauna, macht sich am Stadtrand von Berlin Wut breit.

Es geht um das kleine brandenburgische Dorf Gosen, direkt an der Landesgrenze zu Berlin-Köpenick gelegen. Eigentlich wäre der Schutz seltener Tiere und Pflanzen dort kein Thema – würde der 1913 gegründete Fußballverein SV Müggelpark Gosen nicht seit über vierzig Jahren auf einem Sportplatz spielen, der hundert Meter hinter der Landesgrenze auf Berliner Gebiet liegt. Und zwar mitten in den „Gosener Wiesen“, die der damalige Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) vor vier Jahren zu Berlins größtem Naturschutzgebiet erklärte.

Bei einem Vororttermin vor zwei Jahren konnte Hassemers Nachfolger Peter Strieder (SPD) mit eigenen Augen am Spielfeldrand seltene Moore, Tiere und Pflanzen ausmachen, darunter auch rare Orchideen. Zwei Jahre lang wollte Strieder das sportliche Treiben im Biotop noch dulden. In dieser Zeit sollte sich der Bezirk Köpenick um einen Ausweichplatz für die brandenburgischen Fußballfreunde bemühen.

Doch die Nachricht von der Duldung fand offenbar nicht den Weg ins Köpenicker Rathaus. Als der Gosener Fußballverein Anfang Mai zu einem „Protest-Punktspiel“ lud, rückten neben den Spielern auch Polizisten an. Sie sollten im Auftrag des Bezirksamts eine drohende Straftat verhindern.

Der Chef des Berliner Fußballverbandes sprach daraufhin von einer „Bankrotterklärung des Bezirkamts gegenüber den Sportlern“. Ein aufgebrachter Gosener nannte die Geschichte in einem Leserbrief an die Berliner Zeitung eine „miese und bösartige Köpenickiade“. Die Moore, nistenden Reiher und Orchideen seien „Schwachsinn in Tüten“. In Richtung Umweltverwaltung und Köpenicker Bezirksamt appellierte er im Interesse der 280 größtenteils jugendlichen Spieler: „Kommt endlich raus aus euren Beamtenstuben, weg von unsinnigen Paragraphen, und reagiert wieder wie normale Menschen. Wer den Platz kennt, weiß, daß hier keine Natur vernichtet werden kann.“ Strieders Verwaltung indes schiebt die Schuld auf die Orchideen. Als Strieder die Duldung zur Austragung der letzten drei Punktspiele dieser Saison erteilte, hätten die Orchideen noch nicht ausgetrieben gehabt.

Den amtierenden Vorsitzenden des SV Müggelpark Gosen, Lutz Fleischfresser, bringen die Orchideen mittlerweile auf die Palme. „Wir sind seit 1954 auf dem Platz. Orchideen gibt es dort immer noch, das Fußballspielen hat ihnen also nicht geschadet“, argumentiert er. „Außerdem verläuft wenige Meter neben dem Naturschutzgebiet eine Straße“, so Fleischfresser weiter, „ist das konform mit dem Naturschutz?“ Zu den Ausweichplätzen in Schmöckwitz und Friedrichshagen kämen bereits jetzt weniger Zuschauer. Auch hätten Eltern angedroht, sie würden ihren Nachwuchs nicht endlos durch die Gegend kutschieren. Daher befürchtet Fleischfresser das Aus für den Verein.

Doch kampflos will er nicht aufgeben. Derzeit würden Rechtsmittel geprüft, dem Deutschen Fußball-Bund liege ein Schreiben mit der Bitte um finanzielle Unterstützung für einen neuen Platz vor. Auch der Europäischen Union, die das Areal im vergangenen Jahr in ihre Schutzliste „Humana 2000“ aufnahm, will Fleischfresser schreiben: „Ich will denen zeigen, wie man mit einem kleinen Verein umgeht.“