Nichts los vor Ort

■ Das harte Leben der Reporter, oder: Schreib das auf, Mann!

Sie haben mich losgeschickt, nach Mühltroff, wegen der Tiefkühltruhengeschichte. Zum Feuerwehrfest. Unter die Leute mischen, Stimmen einfangen ... War nix, hab' ich mir gleich gedacht. Egal, erstmal die Überschrift:

Nach Fund von toten Babys: Mühltroff feiert, doch die Stimmung fehlt

Dieses blöde Feuerwehrfest. Okay, szenischer Einstieg:

Ein Hauch von Thüringer Rostbratwürsten und Grillkohle zieht über den Mühltroffer Markt. An langen Tischen unter einer Plane suchen 20 Frauen und Männer Schutz vor der Hitze und trinken Bier oder Limo.

Ja, das ist gut. Weiter:

Viel ist nicht los an diesem Wochenende in dem 2.100-Einwohner-Ort an der sächsisch-thüringischen Landesgrenze. Dabei sollte das Feuerwehrfest einer der Höhepunkte des Jahres werden. Doch seit bekannt wurde, daß in der Tiefkühltruhe einer 28jährigen Frau aus Mühltroff drei getötete Neugeborene gefunden wurden ...

... kann von Feststimmung nicht die Rede sein? Logisch nicht. Ist die Stimmung eisig? Seit bekannt wurde, daß ... hmmm ...

... ist nichts mehr, wie es war.

Ja, so kann man das machen. Und jetzt müßte eigentlich jemand was sagen wie: „uns ist gar nicht zum Feiern zumute“ oder so. Hat aber keiner. Von wegen „trinkst halt ein Bier mit den Leuten, dann reden die schon“. Ich hätte fast was aufs Maul gekriegt in diesem Kaff! Das sollen die ruhig wissen, wie schwierig das hier war, das schreib' ich auf:

„Presse? Schon wieder“, stöhnt ein Mann. „Sucht euch doch was anderes.“ Viele Mühltroffer ...

... schlagen dir die Tür vor der Nase zu ...

... sind wegen des Medienrummels an diesem Wochenende gar nicht gekommen. Matthias Popp ...

... wenigstens ein Name!

... von der Feuerwehr ist sauer. „Die sind nur wegen der einen Geschichte hier“, sagt er und weist auf ein Kamerateam aus Erfurt. „Sonst interessiert sich niemand für Mühltroff.“

Natürlich nicht. Mühltroff! Wie das schon klingt! Nicht abschweifen, erzähl von der einen Geschichte:

Zwei der aktivsten Feuerwehrmitglieder fehlen bei dem Fest: Die 28jährige Mutter der drei Babys und ihr 30 Jahre alter Ehemann. Die Frau sitzt in Untersuchungshaft, weil sie die Kinder gleich nach der Geburt erstickt und dann in die Kühltruhe gelegt haben soll. Der Ehemann, der vergangene Woche zunächst ebenfalls festgenommen worden war, ist zwar wieder frei. Doch wo er jetzt ist, ...

Es ist so demütigend! Jeden ansprechen zu müssen, und dann drehen die sich einfach weg ...

... weiß niemand auf dem Mühltroffer Markt. Das Ehepaar wurde vom Feuerwehrdienst suspendiert.

Sagt der Feuerwehrmann. Meine einzige Nachricht! Mehr gibt dieses Fest wirklich nicht her. Scheiße. Was kann man denn noch dazulegen? Ach ja:

Das Paar hatte schon vor Jahren die Aufmerksamkeit der Anwohner auf sich gezogen, die Jugendamt und Amtsarzt informierten.

Genau, diese Nachbarn. An die müßte ich ran, verdammt.

1993 hatten Nachbarn des Paares beim Wäscheaufhängen getuschelt: „Die ist doch schwanger.“ Quatsch, soll der Mann gesagt haben, die esse nur ein bißchen viel. Dann war der Bauch weg, aber offensichtlich auch kein Kind da.

Ich glaub', ich geh' einfach noch ein Bier trinken. Vielleicht redet ja doch jemand mit mir. Oder mir fällt noch etwas ein.

Die Polizei, die eine Güllegrube auf der Suche nach dem Kind leerpumpen ließ, fand nichts.

Ein Bier. Und ein Thüringer Rostbratwürstchen. Und dann den Rest schreiben. Der Schluß kann ja vage sein, so etwas wie:

Die Staatsanwaltschaft hofft, daß die Frau selbst aufgrund der Indizien bald erzählen wird, was genau geschah.

Hm. Bißchen öde, oder? Da muß noch was dran ...

Aber noch schweigt sie.

Hey! Genial! Reportage: dpa; Gedankenlesung: Carola Rönneburg