Die Altersarmut ist weiblich

■ betr.: „Riester will bei Renten kürzen“, taz vom 7. 6. 99

Als in der letzten Legislaturperiode die vorherige Bundesregierung ihre Pläne laut werden ließ, an den Rentnern sparen zu wollen, war die Empörung groß, nicht nur bei den RentnerInnen und ihren Vertretungsorganen, sondern auch bei der Sozialdemokratie, die sich, zu Recht, stark machte, für die Rentner eintreten zu wollen. Denn was finden wir in der Bundesrepublik vor? RentnerInnen, die in erschrekkend großer Zahl ergänzende Hilfe zu Lebensunterhalt zu ihren geringen Renten erhalten. Die Altersarmut, mit großen Worten von Verbänden und Politik beklagt, ist weiblich und läßt eine unglaublich große Zahl von alten Frauen mit abgeleiteten Renten in Armut verharren. Aber auch die Renten, die das Sozialhilfeniveau übersteigen, sind überwiegend noch so gering, daß sie ein Überleben nur mit äußerster Sparsamkeit und Einschränkung ermöglichen. Und dann gibt es zweifellos, wie das in einer Eindrittel-und-Zweidrittel-Gesellschaft so üblich ist, noch eine Schicht von Rentnern, denen es sehr gut geht und deren Versorgung gut bis üppig ist.

Was ist denn nun in den letzten Jahren geschehen? Nach der Umstellung auf Nettolohnbezug haben die Rentner jede Verringerung des Nettolohnes durch zusätzliche Abgaben wie Pflegeversicherung, Solidarbeitrag, geringen Lohnanstieg, erhöhte Sozialbeiträge usw. deutlich an der geringen Steigerung ihrer Renten gespürt, die ja bekanntlich mit einjähriger Verzögerung der Entwicklung der Nettolöhne folgt. Im letzten Jahr gab es eine Erhöhung der Renten um 0,4 %, was mit Sicherheit nicht einmal die Teuerungsrate auffängt. [...] Nunmehr stellt sich heraus, daß die Nettolohnentwicklung sich sehr günstig darstellt, das heißt, ArbeitnehmerInnen werden erstmalig wieder mehr in der Lohntüte haben, aus den verschiedensten Gründen.

Unverständlich für alte Menschen ist es jedoch, wenn nunmehr, nachdem sie jahrelang nur marginale Rentenerhöhungen erhalten haben, die Möglichkeit einer saftigen Rentenerhöhung in Frage gestellt wird. Dabei ist bei ihnen der Nachholbedarf riesig und auch mit einer solchen Erhöhung die Altersarmut noch lange nicht erfolgreich bekämpft. Es kann nicht wahr sein, daß die brav in Kauf genommene jahrelange Negativwirkung der Nettolohnbezogenheit nunmehr, nachdem sich die Situation so erfreulich geändert hat, für sie aus Gründen der Haushaltssanierung nicht zum Tragen kommen soll. [...] Sicherlich wäre eine soziale Komponente einzubauen nicht ungeschickt. Wer eine sehr großen Rente hat, könnte wohl einen geringeren Rentenanstieg verkraften, aber die kleinen und durchschnittlichen Renten – nie und nimmer. [...] Hildegard Lisse, SPD-Ratsfrau, Aachen