Säbelrasseln in Kaschmir

■  Indien und Pakistan sind bereit zu einem weiteren Krieg um die umstrittene Region. Verhandlungen der Außenminister sind gescheitert, Zehntausende Menschen auf der Flucht

Srinagar/Islamabad (AFP/rtr) – Nach dem Scheitern der Kaschmir-Gespräche stehen die Zeichen auf Krieg. „Wir wollen Frieden, müssen jedoch auch auf einen Krieg vorbereitet sein“, sagte der indische Ministerpräsident Atal Behari Vajpayee der Nachrichtenagentur PTI zufolge gestern vor Soldaten in dem umkämpften Gebiet von Kargil. Militärübungen auf indischer Seite lösten in der Nacht zum Sonntag in der Stadt Jammu bereits Angst vor einem Krieg aus. Am Samstag waren erste Verhandlungen seit Beginn der Gefechte Anfang Mai zwischen dem pakistanischen Außenminister Sartaj Aziz und seinem indischen Amtskollegen Jaswant Singh nach einer Stunde ohne Ergebnis beendet worden. Die Kämpfe an der Grenze zwischen dem indischen und dem pakistanischen Teil Kaschmirs gingen unterdessen unvermindert weiter.

Aziz zeigte sich nach seiner Rückkehr nach Islamabad ebenfalls kriegsbereit: „Wir wollen Frieden, aber wenn es zu einem Krieg kommt, können wir uns und unsere Interessen verteidigen.“ Er hatte nach eigenen Angaben bei dem Gespräch mit seinem indischen Amtskollegen den Stopp der Luftangriffe gefordert und einen beiderseitigen Waffenstillstand vorgeschlagen. Singh hingegen machte den Rückzug muslimischer Milizionäre aus indischem Gebiet zur Bedingung. Pakistan bestreitet jede Unterstützung für die Rebellen, die strategisch wichtige Höhenzüge besetzt haben.

Gestern reiste der indische Regierungschef in Begleitung von Verteidigungsminister George Fernandes und Armeechef V. P. Malik zu Gesprächen mit Militärs nach Kargil in Kaschmir. Kurz vor und nach der Ankunft Vajpayees schlugen in der Nähe von Kargil mehrere Granaten ein.

In der Nacht zum Sonntag veranstaltete das indische Militär laut eigenen Angaben zwei Übungen, die die Bevölkerung in Jammu, der indischen Winterhauptstadt von Kaschmir, in Aufruhr versetzte. Viele Menschen hätten befürchtet, daß dies den Kriegsbeginn zwischen den beiden Ländern bedeute. Ein Behördenvertreter erklärte, binnen drei Tagen seien 3.000 Familien aus der Grenzregion vor den Gefechten geflohen. Insgesamt befänden sich rund 20.000 Menschen auf der Flucht.

Unterdessen gingen die Artilleriegefechte zwischen beiden Ländern in der Kaschmir-Region weiter. Die indische Luftwaffe bombardierte am Samstag auch wieder Positionen mutmaßlicher Unabhängigkeitskämpfer im indischen Teil der geteilten Provinz. Die indische Luftabwehr feuerte nach eigenen Angaben auf ein pakistanisches Aufklärungsflugzeug, das in den indischen Luftraum eingedrungen sei.

Bei den seit Anfang Mai besonders heftigen Gefechten sind bislang Hunderte Menschen getötet worden. Um die Provinz haben Indien und Pakistan bereits zwei Kriege geführt.