Revierkämpfe im Kosovo

■  Russische Einheiten sollen einen eigenen Sektor im Kosovo kontrollieren. Nato muß einen neuen Standort für das KFOR-Hauptquartier finden. Bundeswehrsoldaten besetzen unter dem Jubel kosovarischer Flüchtlinge den Süden der Provinz. Mit den jugoslawischen Soldaten ziehen Tausende serbische Zivilisten ab

Berlin (taz) – Die überraschende Aktion eines russischen Truppenkontingents im Kosovo, das in der Nacht zum Samstag noch vor den Nato-Truppen den Flughafen von Pritina eingenommen hatte, verfehlte ihre Wirkung nicht: Rußland soll jetzt doch, wie von Moskau gewünscht, die Kontrolle über einen Sektor des Kosovo ausüben. Dies bestätigte US-Vizeaußenminister Strobe Talbott gestern in Moskau.

Im Gegenzug hat die russische Regierung aber ein einheitliches Kommando der Kosovo-Friedenstruppe (KFOR) akzeptiert. Dies gab die britische Regierung gestern bekannt, die bislang das Hauptkontingent der im Kosovo einmarschierten KFOR-Soldaten stellt. Britische Truppen sollen die Provinzhauptstadt Pritina kontrollieren. Außenminister Robin Cook wurde von dem russischen Außenminister Igor Iwanow telefonisch zugesichert, Rußland werde sich einem einheitlichen Oberbefehl unterwerfen. Iwanow sagte außerdem zu, keine weiteren Soldaten ohne Absprache mit dem Westen ins Kosovo zu entsenden. Die etwa 300 russischen Soldaten am Flughafen von Pritina sollten in das übrige russische Kontingent integriert werden. Der russische Präsident Jelzin habe diese Einigung gebilligt und dies Iwanow telefonisch mitgeteilt, hieß es in Moskau.

Der Einmarsch der KFOR-Truppen ins Kosovo wurde gestern fortgesetzt. Bis zum Abend sollten 8.000 bis 10.000 KFOR-Soldaten die Grenze überschritten haben. Britische Truppen bezogen Positionen rund um Pritina. Da russische Soldaten nach wie vor den Flughafen besetzt hielten, wurde ein Alternativstandort für das KFOR-Hauptquartier gesucht.

Ein erstes Bundeswehr-Kontingent ist am Samstag nachmittag von Makedonien aus in das Kosovo eingerückt. Rund 200 Soldaten in Jeeps, Schützenpanzern und Panzern überquerten hinter einem britischen Militärkonvoi die Grenze. In Prizren, wo das deutsche Hauptquartier eingerichtet werden soll, mußten Bundeswehrsoldaten abziehende jugoslawische Soldaten und aufgebrachte Kosovo-Albaner trennen, die die Rückgabe gestohlenen Besitzes forderten. In Pritina erschossen am Sonntag britische Soldaten einen jugoslawischen Reservepolizisten. Zuvor seien die Briten, wie es hieß, beschossen worden. Der serbische Truppenabzug ging am Sonntag planmäßig auf den vier dafür freigegebenen Routen weiter. Die meisten Soldaten verließen die Provinz über die Stadt Podujevo. Die jugoslawischen Luftabwehrgeschütze wurden inzwischen wie vereinbart abgezogen. Mit den Truppen verließen nach Nato-Angaben bislang auch 3.000 serbische Zivilisten das Kosovo. „Wir bedauern dies, doch das ist noch kein Massenexodus“, hieß es in Brüssel. Gleichzeitig machte die Nato deutlich, daß sie die Kämpfer der UÇK nicht vollständig entwaffnen will. Mit der UÇK sei nur eine „Demilitarisierung“ vereinbart worden. Die bedeute, daß man keine schweren Waffen in den Händen der UÇK tolerieren werde. Stefan Schaaf