Revoluzzer von recht trauriger Gestalt

■ Das Schnürschuh-Theater zeigte als Uraufführung Satya Hameds Versuch über „Die sieben Leben des Ernesto 'Che' Guevara“. Eine durchaus gelungene Inszenierung, von der man dennoch nicht recht weiß, warum man sie sehen soll.

Was uns da wohl erwartet? Zunächst auffällige gelbe Aushänge. Ein Hinweis für InhaberInnen empfindlicher Ohren: Es werde – welch ein Wunder bei einem Revoluzzer alter Schule! – während der Aufführung mit einer Pistole geschossen. Vielleicht soll so Spannung erzeugt werden. Keine Ahnung. Und überhaupt, noch mal Che? Der Gedanke hat etwas von Recycling. Mode aus Müll, zum Beispiel, die auch um Körper geschlungen den Mülleindruck nie los wird. Aber erstmal schauen.

Langsam geht's los. Der kleine Che liegt im Bett und kann nicht einschlafen. Eigentlich will er gar nicht schlafen und heißt noch Ernesto. Gebeutelt vom Leben mit Asthma, davon, nicht Fußballspielen zu können, wie die anderen Kinder, liest er. Im Bett, mit der Taschenlampe. Vom „seltsamsten Gedanken, auf den jemals in der Welt ein Narr verfallen ist“. Don Quichote. Dessen Abenteuerlust soll den kleinen Che durchs Leben begleiten. Zwei mißverstandene Moralisten. Nur weiß er noch nichts von den zahlreichen Windmühlenflügeln, die auf ihn warten. So jedenfalls wollen es die Phantasien über „Die sieben Leben des Ernesto 'Che' Guevara“, die Satya Hamed in knapp 90 Minuten auf die Bühne des Schnürschuhtheaters spielt.

Gleich sieben. Erinnert irgendwie an Tom & Jerry, auch wenn da der revolutionäre Aspekt zugegebenermaßen in den Hintergrund tritt. Mindestens eine Gemeinsamkeit gibt's trotzdem. Denn auch Che ist Popikone. Weiß sowieso niemand mehr, wie's wirklich war. Das klingt nach 'anything goes', ist aber recht straight erzählt.

Die Bühne ist sehr aufgeräumt für Che-Darsteller Hamed. Neben dem Bett vom Beginn gibt es noch einen Schreibtisch und einen Sandsack. Alles ist in Schwarz/weiß gehalten. Als ob es auf eine facettenreiche Darstellung einer Figur wartet. Genau das passiert dann auch weitgehend. Hamed hangelt sich, trotz einiger Hänger, äußerst sympathisch durch die meist chronologisch angeordneten Szenen. Da ist das Medizinstudium in Buenos Aires, die Odyssee durch den südamerikanischen Kontinent, die erste Liebe, das erste Kind. Che ist hier ein Rastloser, ein Getriebener. Einer, der bei aller Einsicht in die Schlechtigkeit der Welt die naive Begeisterung eines Don Quichote nie ganz hinter sich läßt. Sein Scheitern scheint vorprogrammiert.

Der liebevolle Vater, der, das Kind auf dem Arm in den Schlaf singend, die Weltgeschichte der Revolution studiert, opfert sein Privatleben. Zum ersten Mal fällt der magische Name: Fidel Castro. Dem schließt er sich an, mittlerweile Guerillero geworden. Die Metamorphose wird weniger durch Text als durch den militärischen Sound erzählt. Im Dunkel bleiben von Übungen am Gewehr Rhythmuspatterns, das Klicken des Nachladens oder die Schreie der Bajonettübungen am Sandsack.

Dann kommt auch die Pistole zum Einsatz. Che verstrickt sich immer weiter im dialektischen Gestrüpp revolutionärer Logik. Bis er eigenhändig einen Verräter erschießt. Gewalt gegen Gewalt, lautet die Gleichung. „Die sieben Leben ...“ sind auch ein Stück über die Undurchführbarkeit von Revolutionen.

Hamed setzt eher auf Komik als auf Farce. Etwa, wenn Che in Moskau in „Dinner for one“-Manier seinem Tischnachbarn auf den Rücken klopfen muß, nachdem er von Trotzki sprach. „Haben sie sich verschluckt?“ Ganz selten wird die Darstellung des Che, der hier schon zu Lebzeiten zum Chedarsteller wird, unmittelbar aktuell. Bei einer selbstkritischen Ansprache an die kubanischen Companeros spricht er ins Publikum. Vom Sichabfinden mit den kapitalistischen oder, weniger altmodisch: neoliberalen Strukturen. Da fallen die gespielt und die real Zuhörenden in eins.

Nett. Aber warum Che? „Seien wir realistisch“, sagt der „versuchen wir das unmögliche.“ Das gilt auch für die Aufführung. Es bleibt beim Versuch. Nur: Was hätte man bei dieser als Mensch, als Revolutionär und als Popstar gleich dreifach toten Figur noch neues zu Tage fördern können? Nichts. So sieht man ein mit einigen interessanten Einfällen garniertes Nochmalerzählen. Es muß ja nicht immer gleich revolutionär sein. Tim Schomacker

Nächste Vorstellung im Schnürschuhtheater: 16. Juni, 20.30 Uhr