Werthebach verteilt Maulkörbe

■  Innensenator will kritische Geister in der Polizei mundtot machen. Abgeordnete sollen sich nicht mehr mit Polizisten über Behördeninterna unterhalten dürfen

Bei der eisigen Drohung von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) blieb selbst hartgesottenen Innenpolitikern für einen Moment die Sprache weg: Jeder Mitarbeiter der Verwaltung, der mit Abgeordneten über Behördeninterna spreche, so Werthebach gestern im parlamentarischen Innenauschuß, „wird aus dem öffentlichen Dienst entfernt“.

Gewünschte Informationen, so Werthebach, würden ausschließlich von der Innenverwaltung zur Verfügung gestellt. Direkt an die Abgeordneten von SPD und Opposition gewandt, erklärte Werthebach: „Wenn Sie das nicht beachten, leisten Sie Beihilfe zu schweren Dienstvergehen.“

Daß der Innensenator seinen Mitarbeitern – von der Polizei über die Feuerwehr bis hin zu den eigenen Staatssekretären – gegenüber der Presse den Mund verboten hat, ist nicht neu. Weil die Presseberichte über die Mißstände bei der Polizei und das drohende Führungsvakuum trotzdem nicht abreißen, soll nun offenbar die Drohung mit Rausschmiß das Leck stopfen.

„Nicht der Skandal ist das Problem, sondern der Punkt, daß er öffentlich wird“, stellte der PDS-Abgeordnete Freke Over gestern ironisch fest. Bewirken wird Werthebach mit seinem Maulkorberlaß nach Einschätzung des Grünen-Abgeordneten Wolfgang Wieland genau das Gegenteil: Die Indiskretionen über Mißstände, so Wolfgang Wieland ( Grüne) „brechen an anderer Stelle viel brachialer auf“. Für Hans-Georg Lorenz (SPD) ist Werthebachs Ansinnen rechtswidrig: Das Gespräch zwischen Beamten und Abgeordneten „ist durch das Gesetz geschützt“.

Eigentlich sollte es im Innenausschuß um die Konsequenzen aus der Kritik des Chefs der Landesschutzpolizei, Gernot Piestert, gehen. Der war vor vier Wochen, wie berichtet, auf einer Gewerkschaftstagung hart mit der Polizei ins Gericht gegangen, indem er sich über einen bescheidenen Geist und rauhe Umgangsformen beklagt hatte. Die Kritik bezog sich nicht nur auf den Nachwuchs, sondern auch auf das Führungspersonal. Während die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erfreut über die ungewöhnliche Offenheit reagiert hatte, forderte der empörte Werthebach das Redemanuskript an. Bei der gestrigen Ausschußsitzung blieb Piesterts Stuhl leer. Lorenz wertete dies als weiteres Indiz dafür, daß Werthebach Kritik „unterdrückt“ und „Kritiker mundtot“ macht. Der gab zurück: Welcher seiner Mitarbeiter ihn begleite, entscheide der Innensenator immer noch allein. Auf die Frage, was er von Piesterts Kritik halte, erklärte er: Er teile diese größtenteils, hätte bestimmte Begriffe aber „nicht verwendet“ und die Kritik auch „nicht in so einer Form öffentlich gemacht“.

Der Grüne Wieland meinte den Grund dafür zu kennen, warum sich Piestert aus der Deckung gewagt hat: Piestert habe sich vergebens um den seit einem Jahr vakanten Posten des Polizeivizepräsidenten beworben und sich nun die Hoffung darauf „abgeschminkt“. Jetzt befinde er sich „in der Phase des radikalen Vorruheständlers, der sagen kann, was nicht in Ordung ist“. Damit wollte Wieland den Landesschutzpolizeidirektor aber nicht von der Verantwortung für die Mißstände bei der Polizei freisprechen. Für die Prügeleinsätze am 1. Mai, den Kampf zweier Linien – zwischen sogenannten „Warmduschern und Bullen“ (Polizeijargon) – sowie die Rivalitäten zwischen Schupos und Kripos sei Piestert als „Restaurantchef“ sehr wohl mit verantwortlich.

Werthebach und die CDU-Vertreter taten die Kritik von SPD und Opposition als „Hetzkampage zu Wahlkampfzwecken ab“. Die von Piestert kritisierte schlechte Ausbildung der Polizei wird in zwei Wochen Thema im Innenausschuß sein. Nach Angaben von Polizeipräsident Hagen Saberschinsky ist polizeiintern eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die „praktische Handlungsmaßnahmen“ zur Verbessung des Standards erarbeiten soll. Plutonia Plarre