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Zu allem fähig

■ Neue Einkaufsbeschränkungen für Raucher nach der Methode Raschke

Daran, als Raucher schlecht behandelt zu werden, hat man sich gewöhnt. An die „No-Smoke-Areas“, die steigenden Tabakpreise, bösen Blicke der Mütter und vorwurfsvollen Hüsteleien erklärter Nichtraucher sowie die Rechenübungen aktiver Krankenkassenmitglieder, die jeden genüßlichen Lungenzug gleich in Beitragserhöhungen umrechnen.

Nun aber hat das Nikotinabhängigen-Bashing eine neue Qualität erreicht, jedenfalls im Berlin-Tempelhofer-Supermarkt Reichelt. Dort hatte man schon seit längerem ein gestörtes Verhältnis zur rauchenden Kundschaft, denn wo an den Kassen anderer Einkaufsstätten ein hübsch arrangiertes reichhaltiges Angebot von verschiedensten Zigaretten- und Tabakwaren zur Verfügung steht, war dort bis kurzem exakt gar nichts.

Hier stand ein häßlicher braun-furnierter elektrischer Zigarettenautomat im Ausgangsbereich. Wenn der ans Stromnetz angeschlossen war und man zufällig ein Fünfmarkstück zur Hand hatte, gab es Rauch, wenn nicht, dann eben nicht.

So einfach war das, damals in Berlin-Tempelhof. Dann aber zog im bevölkerungsmäßig überaltertsten Bezirk der Stadt plötzlich der Fortschritt ein: Im Reichelt-Supermarkt wurden Automaten aufgestellt, die, von der Kassiererin per Knopfdruck dazu aufgefordert, künftig von den Nikotinabhängigen ebenfalls digital georderte Zigarettenpäckchen auf das Band spucken sollten.

Nun gut, es dauerte einige Tage, bis diese Automaten fertig installiert waren, und blöderweise hatte man in dieser Zeit schon die zierlichen Tabakregale abgeräumt, aber nach nur wenigen Tagen waren zwei funkelnde, neuwertige Zigarettenspender einsatzbereit. Und dann passierte es: Wie immer hatte man rasch, weil man gerade schon mal in diesem Teil des Ladens war, an einer der gerade freien Raucherkassen Zigaretten holen und danach noch ein bißchen weiter shoppen wollen.

Dieses Vorgehen hatte sich als besonders rational erwiesen, denn an den beiden Zigaretten-Automaten-Servicestellen waren die Schlangen immer extralang gewesen. Bevor man jedoch diesmal das Päckchen West in den Einkaufswagen werfen konnte, ertönte eine supermarktdurchdringend schrille Stimme. „Das geht nicht!“ sagt der durch einen Button als „Frau Raschke“ identifizierbare Kassendrache. „An welcher Kasse bezahlen Sie denn?“

Nun „weiß ich doch jetzt noch nicht, kommt später auf die Länge der Schlange an“ zu sagen, macht Frau Raschke sehr böse. Sehr, sehr böse. Denn: „Wo kommen wir hin, wenn hier jeder macht, was er will?“ Nach Hause, ziemlich schnell? Nein, das war eindeutig die völlig falsche Antwort. Und wenn Frau Raschke eins nicht leiden kann, dann sind das falsche Antworten.

Also fängt sie sofort an, lauthals zu schimpfen. Und bei den Mitanstehenden Eindruck zu machen. Die sind, ihr Einkaufswageneindruck weist es aus, auch Raucher und wagen deshalb keinen Widerspruch, denn Frau Raschke, das haben sie sofort erkannt, ist zu allem fähig. Und niemand möchte sein Päckchen Camelmarlboros so kurz vor dem Ziel noch eingezogen bekommen, deswegen machen sich alle ganz klein und starren zu Boden.

So bleibt nur noch ein schwaches „Aber bei Ihren Kolleginnen geht das doch auch immer!“ als Verteidigung.

Frau Raschke zieht sich jedoch sofort auf den Befehlsnotstand zurück. „Ich befolge nur meine Anweisungen!“ erklärt sie mit einem Gesichtsausdruck, der zeigen soll, daß nichts sie vom Befolgen der von höherer Stelle ergangenen Anweisungen abhalten wird. Logik und Argumente schon gar nicht. Es bleibt nur noch zu bezahlen. Und den vorgesehenen restlichen Einkauf auf den Tag zu verschieben, an dem man der Nikotinsucht ade gesagt hat.

Frau Raschke hat für den Fall jedoch sicher schon vorgesorgt.

Elke Wittich

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