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Schneller, höher, weiter ...  ■ Von Senada Marjanovic

Mein bosnischer Nachbar Omer versteht nicht gut Deutsch. Jeden Morgen erkundigt er sich bei mir im Vorbeigehen über die deutschen Nachrichten. „Habe ich das richtig verstanden – die Nato-Angriffe der letzten Nacht sind die schlimmsten und die heftigsten bis jetzt gewesen?“ „Ja, ja“, antworte ich zerstreut, aber er fährt fort: „Wenn sie in den zwei Monaten immer heftiger geschossen hätten, sollte es Serbien nicht mehr geben. Wenn du mich fragst, lügt die Nato.“ Omer versucht mich in ein Gespräch zu verwickeln. „Miloevic berichtet nach demselben Rezept: Jeden Tag, heißt es, hätten die Nato-Verbrecher in der letzten Nacht die größten Verluste von den serbischen Verteidigern erlitten. Sollte er recht haben, hat die Nato bald keine Flugzeuge mehr!“

Omer erinnert mich an das serbische Heldengedicht von der Schlacht auf dem Amselfeld. „Die Serben schlachten die Türken, die Türken aber die Serben auch ...“ Heute handelt es sich um Albaner und die Nato. Die Zeit ist reif für ein neues Heldengedicht ...“

Das also denkt mein Nachbar Omer, der zwar nicht gut Deutsch spricht, aber alles gut versteht: Die Strategie, mit der die Nato den Kampf gegen Slobodan Miloevic und die Vertreibung der Kosovo-Albaner begonnen hat, bringt sie nicht zum Ziel. Denn die Nato hat einiges vergessen. Erstens ist das Kosovo dank Miloevic zum serbischen heiligen Land geworden. Zweitens haben die Serben in der Geschichte ihre größte Niederlage als Sieg gefeiert. Darum sind die Serben bereit, gegen Kosovo-Albaner und die Nato fanatisch zu kämpfen und zu sterben.

Und eben damit hat die Nato nicht gerechnet. Um das Ganze zu retten, spielt die Nato eine neue Karte aus: im Sinne des alten Mottos für den sportlichen Geist der Olympischen Spiele: „Schneller, höher, weiter“ ... Aber der erfahrene Kriegstreiber kennt die olympischen Sprüche nicht.

Er kennt dagegen die serbische Seele und den Balkan, wo man schon immer dichtete: „Man siegt nicht mit der Waffe, sondern mit Heldenherzen. Und frag nicht, um welchen Preis ...“. So Miloevic. Die Nato dagegen versucht, in der Presse ein Bild des eigenen Erfolgs abzugeben. Vor zwei Monaten glaubte mein Nachbar Omer noch daran. Heute nicht mehr. Er ist enttäuscht. „Wer das Spiel nicht versteht, sollte sich darauf nicht einlassen“, meint er. Irgendwie gebe ich ihm recht.